Geschäftszahlen 2023 - 28. Juni 2024

„Das Engagement des Berufsstands ist zutiefst beeindruckend“

Während viele Unternehmen mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu kämpfen hatten, ist DATEV weiterhin stabil und erzielt ein positives Jahresergebnis. Künstliche Intelligenz und die Überlastung des Berufsstands spielten im vergangenen Jahr eine große Rolle. Die Genossenschaft steht mit 8.870 Mitarbeitern auch bei der Fachkräftegewinnung und bei der Entbürokratisierung fest an der Seite ihrer Mitglieder und ist für die Zukunft gut gerüstet. Darüber sprachen wir mit Chief Financial Officer Diana Windmeißer.

Das Interview führte Astrid Schmitt

DATEV magazin: Das vergangene Jahr war weltweit von wirtschaftlichen Schwierigkeiten und politischen Unruhen geprägt. Wie hat sich DATEV in diesem herausfordernden Umfeld behauptet?
DIANA WINDMEISSER: Trotz großer globaler Herausforderungen, geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Entwicklungen – von den Kriegen in der Ukraine und im ­Nahen Osten bis zu Inflation und Fachkräftemangel – konnten wir bei DATEV ein äußerst positives Geschäftsergebnis erzielen. Diesen Erfolg verdanken wir unserem soliden Management in einem komplexen Umfeld, das auf unseren ­genossenschaftlichen Werten und der Stärke unserer Gemeinschaft basiert. Unser digitales DATEV-Ökosystem hat die Zusammenarbeit in unserem Netzwerk deutlich verbessert und die Transformation unserer Lösungen in die Cloud eröffnet neue Möglichkeiten, die den Arbeitsalltag unserer Mitglieder erleichtern. Unser Umsatzwachstum von 9,6 Prozent und ein Gesamtumsatz von über 1,4 Milliarden Euro unterstreichen die Stärke unserer Genossenschaft.

Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung von DATEV im vergangenen Geschäftsjahr?
Mit dem Ergebnis des vergangenen Jahres bin ich sehr zufrieden. DATEV hat sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld als äußerst robust erwiesen. Unsere genossenschaftliche Organisation hat sowohl in der Corona-Krise als auch unter den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen eine bemerkenswerte Stabilität bewiesen, die sie von vielen anderen Unternehmen unterscheidet. Das Umsatzwachstum wurde von allen Produktgruppen getragen, insbesondere von der Buchhaltung und dem Personalwesen. Ein besonders deutlicher Anstieg war bei der Nutzung unserer Cloud-Services zu verzeichnen. Das Wachstum bei unseren Kernprodukten und Cloud-Services spiegelt die starke Beschäftigungslage unserer Mitglieder wider und hat maßgeblich zu unserem Erfolg beigetragen. Besonders beeindruckend ist das Wachstum unserer digitalen Belegbuchung und der Anstieg der über Arbeitnehmer online abgerechneten Mitarbeiter.

Sind die Auswirkungen der Krisen möglicherweise auch geringer als erwartet?
Tatsächlich haben wir in den letzten Jahren keine nennenswerten Krisentiefs dank unserer genossenschaftlichen Werte und der Bedeutung einer stabilen Geschäftsführung erlebt. Trotz der allgemeinen Preissteigerungen war es unser Ziel, eine faire Preisgestaltung für unsere Mitglieder beizubehalten. So haben wir die Preise im Rahmen unserer kontinuierlichen Preispolitik zwar erhöht, aber nicht die gesamte Teuerungsrate weitergegeben. Unsere Ergebnisse haben unsere Erwartungen übertroffen, was es uns ermöglicht hat, eine stabile Rückvergütung anzubieten. Während andere Branchen mit Krisen zu kämpfen haben, zeigt sich die IT- und Kommunikationsbranche, zu der auch DATEV gehört, weitgehend stabil. Unsere Wachstumszahlen spiegeln den positiven Trend im Software-Bereich wider, der um 9,6 Prozent zugenommen hat und sich besser als der Gesamtmarkt entwickelt. Unser Ergebnis zeigt, dass wir uns im Branchenvergleich sehr gut behaupten konnten und unsere Strategie, auf digitale Lösungen und Cloud-Services zu setzen, aufgeht. Dies zeigt unsere Fähigkeit, auch in schwierigen Zeiten erfolgreich zu agieren und unseren Mitgliedern einen kontinuierlichen Mehrwert zu bieten.

Was waren für Sie die Highlights des Geschäftsjahres 2023?
Die Bedeutung künstlicher Intelligenz war zweifellos eines der beherrschenden Themen des Jahres. Als Unternehmen erkennen wir das enorme Potenzial von KI – auch dahingehend die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend zu verändern. Das zeigt sich anhand der Relevanz von KI-Technologien, die durch Innovationen wie ChatGPT vorangetrieben werden. Bei DATEV haben wir die Chancen, die KI für uns und unsere Mitglieder bietet, frühzeitig erkannt und umgesetzt. Ein herausragendes Projekt ist GenAI-lize, das die Anwendung von generativer KI sowohl für unsere Mitglieder als auch intern bei DATEV in den Mittelpunkt stellt. Bereits vor dem großen KI-Hype hatten einige unserer Produkte, wie unser Automatisierungsservice Rechnungen, KI im Bauch. Damit wurden bereits über 30 Millionen KI-gestützte Buchungsvorschläge generiert. Mit der DATEV KI-Werkstatt bieten wir zudem eine Plattform für unsere Mitglieder, generative KI in DATEV-Anwendungen im geschützten Umfeld zu erproben. Dabei sind wir uns der Verantwortung bewusst, die mit der Integration von KI in unsere Prozesse und Produkte einhergeht, vor allem bei Datenschutz und berufsrechtlichen Standards. Die sorgfältige Auseinandersetzung mit den ethischen, berufsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Aspekten ist uns besonders wichtig. Die positiven Rückmeldungen und das gestiegene Interesse bestärken uns darin, diesen Weg weiterzugehen und KI sinnvoll und verantwortungsvoll einzusetzen. Datenschutz und Informationssicherheit bilden die Grundlage für unsere sicheren Cloud-Lösungen. Dies unterstreichen unsere Zertifizierungen nach ISO/IEC 27001 und ISO 27701.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Fortschritt der Digitalisierung bei DATEV?
Wir sind der festen Überzeugung, dass die Zukunft der Steuerberatung und Unternehmen in der digitalen Zusammenarbeit des gesamten Berufsstands liegt. Unser Ziel ist es, Vorreiter bei der Vernetzung zu sein und Standards zu setzen, was eine kontinuierliche Digitalisierung voraussetzt. Wir wollen bei der Vernetzung des steuerberatenden Berufs Maßstäbe setzen. Während wir grundsätzlich mit den bisherigen Fortschritten zufrieden sind, sehen wir dennoch noch mehr Potenzial bei allen Kundengruppen. Der Berufstand entwickelt sich kontinuierlich weiter und ist auf einem guten Weg. Hier gilt es dranzubleiben, denn das Vorantreiben der Digitalisierung ist für uns kein Selbstzweck, sondern ein wichtiger Hebel für die Zukunftsfähigkeit.

Ein weiteres großes Thema ist die E-Rechnung. Wie sieht die Unterstützung bei der Einführung der E-Rechnung aus?
Für Rechnungen zwischen Unternehmen schreibt der Gesetzgeber vom 1. Januar 2025 an grundsätzlich die Form einer E-Rechnung vor. Auch wenn das Gesetz für Ausgangsrechnungen großzügige Übergangsfristen bis Ende 2027 vorsieht, empfiehlt es sich, die nötige Umstellung der Abläufe rund um die Rechnungen zügig anzugehen. Denn vom ersten Tag an ist der Empfang von ­E-Rechnungen verpflichtend. Unternehmen stellen sich damit nicht nur langfristig rechtssicher auf, sondern profitieren auch frühzeitig von den Effizienzvorteilen, die ein vollständig digitaler Rechnungsprozess mit sich bringt. Wegen dieser Vorteile wird die E-Rechnung sowohl von DATEV als auch vom gesamten Berufsstand als wesentlicher Treiber und zentraler Baustein für die digitale Transformation gesehen. Unser Produktportfolio umfasst Lösungen für den Empfang, die Verarbeitung und den Versand von E-Rechnungen, die alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Darüber hinaus haben wir eine E-Rechnungsplattform entwickelt und in einer ersten Stufe schon bereitgestellt. Ab 2025 soll sie eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung elektronischer Rechnungen einnehmen und darüber hinaus für unsere Mitglieder und deren Mandanten vorausschauend die Weichen für das von den Finanzbehörden für 2028 angedachte Meldesystem stellen. Dabei greifen wir auf die Technologie und Expertise des Netzwerkspezialisten b4value.net zurück, an dem wir im Frühjahr 2024 die Mehrheitsbeteiligung übernommen haben. Die E-Rechnungsplattform ist als offenes Ökosystem konzipiert und damit insbesondere interessant für Anbieter von ERP- oder Branchen-Software und Dokumentenmanagementsystemen, die das Thema E-Rechnung mit möglichst geringem Aufwand umsetzen wollen. Sie werden über eine Anbindung die Erstellung, den Versand und den Empfang von E-Rechnungen für ihre Kunden nach Bedarf an die Plattform auslagern können. So werden wir gemeinsam mit starken Partnern den elektronischen Dokumenten- und Datenaustausch sicher und effizient gestalten. Unser Ziel ist es, innerhalb des digitalen DATEV-Ökosystems eine Community zu etablieren, die die Einführung der E-Rechnung aktiv vorantreibt und die Digitalisierungsprozesse zwischen Kanzleien und Mandanten weiter automatisiert. Wir sind uns der Herausforderungen bewusst und setzen alles daran, unsere Mitglieder optimal auf die bevorstehenden gesetzlichen Änderungen vorzubereiten.

Wie unterstützt die Genossenschaft ihre Mitglieder, die täglich mit hoher Arbeitsbelastung konfrontiert sind, bei der Fachkräftegewinnung?
Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen. Daher haben wir zusammen mit der Bundessteuerberaterkammer und dem Deutschen Steuerberaterverband die gemeinsame Fachkräfteinitiative „­GEMEINSAM handeln!“ ins Leben gerufen. Unser Fokus liegt auf der Steigerung der Attraktivität des Steuerberaterberufs und der Nachwuchsförderung, um den ­Berufsstand nachhaltig zu stärken. Dabei konzentrieren wir uns auf den Ausbau unserer Bildungspartnerschaften, die Bereitstellung von Schulungs- und Beratungsangeboten zu Führungskompetenzen und modernen Rekrutierungsstrategien sowie auf eine Sensibilisierungs- und Aktivierungskampagne zur Unterstützung der Kanzleien bei der Gewinnung und Bindung von Fachkräften. Wichtig ist dabei, auch die Steuerberater zu motivieren, selbst auszubilden.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, Überregulierungen und überbordende Bürokratisierung zu verringern?
Die mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV verbundene Hoffnung auf Entlastung ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Zwar sind Maßnahmen wie die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen und die Abschaffung der Hotelmeldepflicht Schritte in die richtige Richtung, dennoch bleiben die jährlichen Bürokratiekosten mit rund 65 Milliarden Euro hoch und stellen einen erheblichen Standortnachteil im ­internationalen Vergleich dar. Das beeinträchtigt unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir fordern einen konsequenten Bürokratieabbau und weniger neue Regulierungen – eben mit Augenmaß.

Wie nehmen Sie die Stimmung der Mitglieder bei den ganzen Belastungen der letzten Jahre wahr?
Die Resilienz und das Engagement unseres Berufsstands beeindrucken mich zutiefst. Trotz anhaltender Belastungen hat sich die Rolle der Steuerberaterinnen und Steuerberater gerade in volatilen Zeiten als unverzichtbar erwiesen. Die zunehmende Komplexität und Verantwortung stellen hohe Anforderungen an unsere Mitglieder. Wir sind uns der Herausforderungen bewusst und sehen es als unsere Aufgabe, sie bestmöglich zu unterstützen, damit sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.

Welche Themen werden die Genossenschaft und ihre Mitglieder 2024 prägen?
Unsere Hauptziele konzentrieren sich derzeit auf die Digitalisierung der Kanzleiprozesse und die Integration von Cloud-Lösungen, um unsere Mitglieder bestmöglich zu unterstützen. Dabei legen wir besonderen Wert auf die Sicherheit unserer Systeme und den Datenschutz, um den wachsenden Bedrohungen zu begegnen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Weiterentwicklung unseres digitalen DATEV-Ökosystems durch die Zusammenarbeit mit Partnern. Gleichzeitig stehen die Einführung der E-Rechnung und der Einsatz künstlicher ­Intelligenz zur Effizienzsteigerung im Fokus. Auch die Neuwahlen zur Vertreterversammlung waren von großer Bedeutung, um eine starke Stimme für unseren Berufsstand zu sichern und die Zukunft erfolgreich zu gestalten.

Was erwarten Sie angesichts der stagnierenden Wirtschaft für das Geschäftsjahr 2024?
Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten sind wir optimistisch, aber planen weiterhin vorsichtig. Wir gehen davon aus, dass sich die positive Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt, auch wenn es für konkrete Prognosen noch zu früh ist. Obwohl einzelne Bereiche konjunkturellen Schwankungen unterliegen, sind wir dank unserer diversifizierten Aufstellung gut positioniert. Wir bleiben zuversichtlich, dass wir auch in schwierigen Zeiten gut aufgestellt sind, um unseren Mitgliedern zur Seite zu stehen.

MEHR DAZU

finden Sie unter www.datev.de/geschaeftsbericht ab dem 12. Juli 2024.

Zur Autorin

Astrid Schmitt

Redaktion DATEV magazin

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