Entwicklung - 28. Juni 2024

Schritt für Schritt

DATEV entwickelt das Produktportfolio in Richtung Cloud. Das soll schneller bessere Online-Prozesse bieten für Kanzleien und deren Zusammenarbeit mit Mandanten. Stefan Meisel, Mitglied der Geschäftsleitung, spricht darüber, warum Schritt für Schritt entwickelt wird, welche Vorteile das hat und welche Rolle künstliche Intelligenz dabei spielt.

Das Interview führte Carsten Fleckenstein

DATEV magazin: Mit der Portfolioentwicklung migrieren wir die Lösungen nach und nach in die Cloud. Orientiert wird sich an den Top-Kundenbedürfnissen. Welche sind das?
STEFAN MEISEL: Kanzleien haben unterschiedliche Reifegrade in der Organisationsentwicklung. Wir müssen sowohl bereits digital gut aufgestellte Kanzleien berücksichtigen als auch jene, die noch nicht so weit sind. Bedürfnisse ergeben sich auch aus der Situation der Branche. Der Berufsstand ist stark belastet. Komplexere Aufgaben seitens der Mandanten, gesetzliche Änderungen, Fachkräftemangel – die Belastung steigt. Daraus resultiert ein großes Bedürfnis nach Entlastung. Das braucht schneller effizientere, digitale Prozesse sowohl für die Zusammenarbeit mit Mandanten als auch mit Dritten. Dann gibt es strategisch orientierte Bedürfnisse. Die eben angesprochene Komplexität seitens der Mandanten steigt. Mitglieder wünschen sich Tools, mit denen sich Mandantendaten effektiv in der Beratung nutzen lassen, also Bedürfnisse nach durchgängigen Prozessen, Entlastung und neuen Beratungsanlässen. Daran orientieren wir uns.

Die Portfolioentwicklung bietet die Chance, das bestehende Lösungsangebot zu sichten. Was geht in die Cloud, was nicht?
Wenn wir eine Cloud-Lösung anbieten, wird zwingend Notwendiges weiterhin zu 100 Prozent enthalten sein. Das heißt, die Produktreife wird in mehreren Iterationen erzielt; also dass eine Lösung zunächst mit 70, 80 Prozent Funktionsumfang kommt. Und Schritt für Schritt nähert sich das in der Cloud der vergleichbaren Leistung eines On-Premises-Produkts. Und darüber hinaus, denn wir entwickeln unsere Lösungen kundenorientiert kontinuierlich weiter.

Wir verzichten also auf manches oder verzögern es?
Nicht in dem Sinn. Früher wurden Produkte zweimal im Jahr ausgeliefert. Da musste alles drin sein. In der Online-Welt kann man im Grunde täglich ausliefern. Wir analysieren, welche Funktionen unsere Mitglieder und Kunden sofort unterstützen und welche Lösungen oder Teile davon aufgrund von zum Beispiel geringer Nutzung nicht dringend oder ganz verzichtbar sind oder aber den Aufwand nicht rechtfertigen und wir das über Partner anbieten, wie etwa die Unternehmensbewertung. Wir hatten nicht einmal vierstellige Anwenderzahlen. Daher haben wir uns entschieden, das durch ein Partnerprodukt zu ersetzen.

Auch bei der Portfolioentwicklung wird verstärkt in Prozessen gedacht. Prozessen ist immanent, wie Sie sagen, dass Schritt für Schritt vorgegangen wird. Wo liegen die Vorteile?
In einer Organisation mit hoher Arbeitslast Anwendungen mit einem Big Bang zu ersetzen, ist unsinnig. Niemand kann drei Monate Auszeit nehmen und umstellen. Wenn das schrittweise geschieht, können wir die Anwenderinnen und Anwender sukzessive an die neuen Lösungen heranführen, ohne Unterbrechung. Daher steht das Konzept der Portfolioentwicklung auf drei Säulen: notwendige On-Premises-Anwendungen aktuell und effizient halten, Cloud-Anwendungen entwickeln und die Brücke schlagen zwischen beiden.

Welche Prozesse zwischen Kanzlei und Mandant lassen sich schon heute über ein durchgängiges Online-Portfolio abbilden?
Wir stehen auf der erwähnten Brücke. Wir haben komplett digitale Workflows, bei denen Online- und On-Premises-Anwendungen zusammenarbeiten. Der komplett durchgängige Online-Prozess wird der nächste Schritt sein. Dabei handelt es sich um den Dienstleistungsprozess der Lohn- und Gehaltsabrechnung. Zusammen mit dem Kanzleimanagement, dem Dokumentenmanagement und dem Zahlungsverkehr wird der komplette Prozess der Lohn- und Gehaltsabrechnung, inklusive Leistungsaufzeichnung oder Rechnungsschreibung, in der Cloud liegen.

Irgendwann braucht es keine On-Premises-Lösungen mehr – theoretisch. Schaltet DATEV diese dann einfach ab?
Nein. Es wird in der Übergangsphase die Möglichkeit geben, für jedes Mandat zu entscheiden: On Premises oder Cloud. Ausnahme sind zentrale Kanzleiorganisationslösungen: Sobald die Online-Lösung in Betrieb und die Datenübernahme erfolgt ist, kann nur noch die Online-Version genutzt werden.

Das kann nicht ewig so gehen.
Das nicht. Es wird sich nach der Art der Anwendung und deren Verbreitung in den Kanzleien richten. Beim Lohnabrechnungsprozess rechnen wir mit einem begrenzten Zeitraum. Das heißt, eine Kanzlei hätte diese Zeit, die Lohnmandate auf die Cloud-Version umzustellen.

Gleichzeitig müssen Dynamiken der KI berücksichtigt werden. Wie geht DATEV damit um?
KI ist ja nicht gleich KI. Wir nutzen sie schon heute in Form von Cloud-Services. Denken Sie an den Automatisierungsservice Rechnungen. Das ist Machine Learning, keine generative KI wie ChatGPT. Unsere Aufgabe ist es, die Technologie so zu konfigurieren, dass daraus Lösungen entstehen, mit denen Kanzleien zuverlässig und rechtssicher arbeiten können und einen Mehrwert haben. Das machen diese Maschinen nicht. Dafür sorgt DATEV. Und wir sind sehr gut aufgestellt.

Zum Autor

Carsten Fleckenstein

Redakteur und Podcaster bei DATEV.

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