KI-Tools - 28. Juni 2024

KI-Nutzer sind Gewinner

Steuerberaterin Stephanie Kröning setzt in ihrer Kanzlei auf künstliche Intelligenz – mit großem Erfolg: Von der Automatisierung administrativer Prozesse bis zur präzisen Unterstützung bei Beratungsgesprächen revolutioniert KI die Arbeit in der Magdeburger Kanzlei. Wieder Zeit zu haben für ihre eigentliche Arbeit, das Beraten und Gestalten, davon träumt die Kanzleiinhaberin.

Das Interview führte Astrid Schmitt

DATEV magazin: Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen und Ihrer Expertise zu künstlicher Intelligenz in der Steuerberatung. Arbeiten Sie in Ihrer Kanzlei bereits mit KI?
STEPHANIE KRÖNING: Grundsätzlich bin ich digitalaffin und beschäftige mich intensiv mit Digitalisierung und Automatisierung, insbesondere im Bereich Microsoft 365. Da habe ich beispielsweise Power Automate genutzt, um unnötige manuelle Arbeit zu eliminieren und zu automatisieren. So habe ich Schleifen konzipiert, die es meinem Team ermöglichen, Besprechungsnotizen ad hoc zu erhalten, wenn ich mit einem Mandanten spreche. Die Einführung von ChatGPT hat eine bedeutende Welle ausgelöst. Bereits im letzten Jahr in Dresden beim Steuerberatertag haben wir viel darüber erfahren, was mit KI automatisiert werden kann. Daraufhin habe ich die kostenpflichtige Version von ChatGPT abonniert und festgestellt, dass es mir bis zu 50 Prozent meiner Verwaltungstätigkeit abnehmen kann. Darüber hinaus habe ich verschiedene Tools von Microsoft und auch ChatGPT ausprobiert. Mit ChatGPT konnte ich effektiv Skripte erstellen, PowerPoint-Folien generieren und sogar Zahlenmaterial auswerten, immer unter Beachtung der Datenschutzrichtlinien.

Wie ist Ihr Eindruck von Ihren Kolleginnen und Kollegen bei der Nutzung von KI?
Im steuerberatenden Beruf gibt es weniger Bedenken zur KI als auf Mandantenebene. Digitale Profis, wie Ingenieure im E-Commerce, kritisieren paradoxerweise KI aus Angst vor Arbeitsverlust. Kolleginnen und Kollegen, die sich engagieren, haben sich durch den Steuerberaterverband organisiert und tauschen sich in Arbeitskreisen sowie Slack-Gruppen aus. Viele Kolleginnen und Kollegen zeigen Interesse, aber eine Menge ist resigniert und behauptet, keine Zeit für die Auseinandersetzung mit KI zu haben. Das ist aber, wie mit einer stumpfen Säge zu arbeiten und keine Zeit zum Schärfen zu haben, weil man sägen muss. Dieser Widerspruch verdeutlicht, dass die Zeit für KI-Beschäftigung als unerlässlich betrachtet werden sollte.

Sie haben von Ihren ersten Anwendungsfällen mit KI berichtet. Wo sehen Sie Potenzial für KI in der Kanzleiarbeit?
Die KI unterstützt mich dabei, präzisere Gespräche zu führen. Durch gezieltes Prompting kann ich ChatGPT effektiv nutzen, um einen Leitfaden für Beratungssituationen zu erhalten. Wenn ich der Maschine klar mitteile, welches Problem mein Mandant hat und welche Art von Beratung er benötigt, führe ich quasi ein kleines Rollenspiel mit ChatGPT durch. Zum Beispiel stelle ich mir vor, ich habe einen Mandanten, der Beratung zu Immobilieninvestitionen und steuerlichen Folgen sucht. ChatGPT gibt mir dann einen Leitfaden mit relevanten Fragen, die ich stellen sollte. Es ist wichtig zu betonen, dass ChatGPT niemals unsere individuelle Beratungsexpertise ersetzen kann, da es nicht auf spontane, individuelle Situationen eingehen kann. Dennoch bietet der Leitfaden eine Struktur, die es ermöglicht, sich systematischer durch Beratungsgespräche zu bewegen. Es ist vergleichbar mit Qualitätsmanagement, da es eine strukturierte Herangehensweise ermöglicht und inspirierende Anregungen für den Aufbau von Beratungsgesprächen liefert.

Sie haben Mitarbeiter in Ihrer Kanzlei. Wie stehen diese KI gegenüber?
Bisher waren sie skeptisch, aber ich plane, sie in einer Teambesprechung onzuboarden. Datenschutz ist ein wichtiges Thema und ich schule meine Mitarbeiter intensiv. Ein Zertifikat im Digital Prompt Engineering hat mir dabei geholfen, meine Erfahrungen beim Onboarding von KI zu erweitern.

Sie sind ein großer Fan von ChatGPT. Arbeiten Sie auch mit anderen KI-Tools?
Neben ChatGPT habe ich Google Bard ausprobiert. Diese beiden Tools ergänzen sich gut, da sie auf unterschiedlichen statistischen Methoden basieren. Aktuell erkunde ich auch andere ChatGPT-basierte Tools in Unternehmerverbänden und im steuerlichen Bereich.

Wie schätzen Sie den Einfluss von KI auf den Arbeitsmarkt in der Steuerberatung ein?
In der Steuerberatungsbranche zeichnet sich aufgrund von Entwicklungen wie der Corona-Pandemie und der Grundsteuer ein beunruhigendes Bild ab. Steuerberater sehen sich Jahr für Jahr gezwungen, beim Staat um Fristverlängerungen zu bitten, was sie von ihren eigentlichen Aufgaben abhält. Hier sehe ich in ChatGPT und ähnlichen Technologien eine bedeutende Chance. Persönlich würde ich aufgrund dieser KI-Tools kein Sekretariat mehr in Betracht ziehen. Sie sind äußerst effektiv bei der Übernahme von Aufgaben, die traditionell Sekretariatsaufgaben entsprechen. In einem Protokoll las ich, dass man ChatGPT als so etwas wie einen Minijobber bezeichnete. Das verdeutlicht meinen Eindruck, wie effizient und vergleichbar mit einem Minijob diese Technologie arbeitet. Der Aufwand, den ich durch den Einsatz von ChatGPT erspare, lässt sich durchaus mit einer personellen Kapazität vergleichen. Zwar erfordert es noch eine gewisse Nachbearbeitung, um sicherzustellen, dass der generierte Text meinen persönlichen Stil und meine Grammatik widerspiegelt. Dennoch hat das Programm schon viele organisatorische Aufgaben übernommen. Wenn jeder diese Tools effizient und zielgerichtet einsetzen würde, könnte dies zu einer Entlastung auf dem Arbeitsmarkt führen.

Wird das Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Branche haben?
Definitiv. Ich verschaffe mir einen immensen Wettbewerbsvorteil, indem ich meine Kernkompetenzen effektiv verkaufe – insbesondere durch meine Beratungstätigkeit. Der Stundensatz, den meine Mandanten zahlen, soll sich in qualitativen Ergebnissen niederschlagen. Nehmen wir den Buchungsautomaten von DATEV als Beispiel, der bereits KI-basiert ist. Wenn ein Mitarbeiter Zeit mit dem manuellen Abtippen von Zahlen verbringt, die automatisiert übernommen werden könnten, geht wertvolle Zeit verloren. Im Gegensatz dazu lese ich Daten ein, habe die Buchungssätze vorliegen und beurteile alles steuerlich – eine deutlich qualitativere Nutzung der Arbeitszeit. Diejenigen, die KI einsetzen, werden meiner Überzeugung nach Vorreiter sein und einen klaren Wettbewerbsvorteil haben, während andere ohne diese Technologie einen Nachteil erleben werden.

Welche Voraussetzungen sehen Sie in Kanzleien für die Implementierung von KI?
Die Herausforderung liegt darin, dass viele Kanzleien den Einstieg in die Digitalisierung scheuen. Ähnlich wie bei der KI besteht die Hürde darin, das notwendige Mindset zu entwickeln. Obwohl der Wunsch nach Digitalisierung vorhanden ist, zögern viele, da der Gedanke, Gewohnheiten aufzugeben und sich mit etwas Neuem zu befassen, unangenehm ist. Die Schnelllebigkeit der Technologie verschärft die Situation, da viele Kanzleien noch nicht einmal den ersten Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht haben, wenn bereits die KI als nächste Stufe ansteht. Dies erschwert den Start und erhöht die Bedrohung und Schwierigkeit für diese Kanzleien. Anmeldung und Registrierung für ChatGPT mögen einfach sein, aber die eigentliche Herausforderung liegt darin, konsequent dabeizubleiben und sich täglich zu disziplinieren. Die Integration in bestehende Gewohnheiten ist nicht trivial.

Sehen Sie ethische Probleme im Umgang mit KI?
Ein wenig, insbesondere in Bezug auf den persönlichen Kontakt mit Mandanten. Es ist wichtig, KI zur Zeitersparnis und Effizienzsteigerung zu nutzen, aber nie das komplette Produkt ohne persönlichen Anteil zu verkaufen.

Wie sehen Sie sich in fünf Jahren mit KI arbeiten?
Mein Traum ist es, mich nur noch mit meiner Kernkompetenz, der steuerlichen Beratung, zu beschäftigen. KI soll mir helfen, organisatorische Aufgaben zu erleichtern und mehr Raum für qualitativ hochwertige Beratung zu schaffen.

Haben Sie einen Tipp für einen besonders effektiven Prompt?
Der Prompt-Prompt ist mein Favorit. Indem ich ChatGPT anweise, selbst ideale Prompts zu formulieren, erleichtert das den Prozess und optimiert die Kommunikation mit der KI.

Zur Autorin

Astrid Schmitt

Redaktion DATEV magazin

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