Berufsstand - 19. Juni 2024

Stellungnahme der BRAK – Verfassungsbeschwerde zur Durchsuchung von Kanzleiräumen

BRAK, Mitteilung vom 19.06.2024

Die BRAK erläutert in ihrer Stellungnahme die besonderen Anforderungen, die an die Durchsuchung von Geschäftsräumen von Berufsgeheimnisträgern zu stellen sind.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hatte als „sachkundige Dritte“ die Möglichkeit, sich zu dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Az. 1 BvR 398/24) zu äußern. In diesem Fall hat ein Rechtsanwalt Verfassungsbeschwerde gegen Beschlüsse des Amts- und Landgerichts Hamburg eingereicht. Das Amtsgericht hatte die Durchsuchung seiner Kanzlei im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens angeordnet, das eine ehemalige Mandantin gegen den Beschwerdeführer angestoßen hatte. Das Landgericht Hamburg bestätigte diese Durchsuchungsanordnung.

Die BRAK hält die Verfassungsbeschwerde für begründet und sieht in diesem Fall eine Verletzung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 Abs. 1, 2 GG für gegeben. Bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen von Berufsgeheimnisträgern besteht regelmäßig die Gefahr, dass geschützte Informationen von Nichtbeschuldigten den Behörden zugänglich gemacht werden. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant, die für eine wirksame und geordnete Rechtspflege von allgemeinem Interesse ist, wird dadurch beeinträchtigt. Eine solche Maßnahme berührt nicht nur die Grundrechte des Mandanten, sondern auch die des Rechtsanwalts.

Das Mandatsgeheimnis stellt aus Sicht der BRAK auch eine subjektive Rechtsposition des Anwalts dar. Das BVerfG entschied 2004, dass das Berufsgeheimnis als „unverzichtbare Bedingung der anwaltlichen Berufsausübung […] Teil am Schutz des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG [hat].“ Diese Grundsätze müssen ebenso für die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG gelten, um eine störungsfreie Mandatsbeziehung zu gewährleisten, frei von intensiven staatlichen Eingriffen.

Aus der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG ergeben sich aus Sicht der BRAK für die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei mindestens folgende Anforderungen:

  1. Eine besonders sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens und Grads des Tatverdachts sowie einer hinreichend konkreten Auffindevermutung für tatbezogene Beweismittel.
  2. Eine strenge Erforderlichkeitsprüfung, die den hohen Anforderungen an den Schutz des Mandatsgeheimnisses genügt, insbesondere im Hinblick auf alternative, grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen.
  3. Die Prüfung der besonderen Anforderungen an die Angemessenheit von Durchsuchungen bei Berufsgeheimnisträgern im Hinblick auf die Schwere der Straftat, die Stärke des Tatverdachts und die Bedeutung des potenziellen Beweismittels für das Strafverfahren sowie den Grad des Auffindeverdachts.
  4. Eine möglichst präzise Eingrenzung und Bezeichnung der gesuchten Beweismittel sowie eine gegenständliche Beschränkung, um das Mandatsgeheimnis hinsichtlich unbeteiligter Dritter bestmöglich zu schützen.

Im vorliegenden Fall entsprachen die gerichtlichen Beschlüsse zur Durchsuchungsanordnung diesen Anforderungen nicht: Eine hinreichende Abwägung des Schutzes des Mandatsgeheimnis im Rahmen einer besonders sorgfältigen Verhältnismäßigkeitsprüfung suchte man in den Beschlüssen vergeblich.

Wie das BVerfG diesen Fall bewertet, ist derzeit noch offen.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer