Verfassungsrecht - 27. Juni 2024

Thüringer SARS-CoV-2-VO: Verlängerung der Regelung zur Anordnung nächtlicher Ausgangsbeschränkungen nicht geimpfter und nicht genesener Personen war verfassungswidrig

VerfGH Thüringen, Pressemitteilung vom 26.06.2024 zum Urteil VerfGH 4/22 vom 26.06.2024

Antrag im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle bezüglich einzelner Regelung der Thüringer Verordnung zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 (ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO) vom 21. Januar 2022

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat in seinem am 26.06.2024 verkündeten Urteil in dem auf Antrag der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag eingeleiteten Normenkontrollverfahren VerfGH 4/22 entschieden, dass die Verlängerung der Regelung zur Anordnung nächtlicher Ausgangsbeschränkungen nicht geimpfter und nicht genesener Personen verfassungswidrig war.

Die angegriffene Corona-Verordnung, mit der unter anderem die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen im Januar 2022 verlängert worden waren, genügte nicht den formellen Begründungsanforderungen. Bei der Verlängerung von bereits langandauernden und mit gravierenden Grundrechtseinschränkungen verbundenen Maßnahmen wie den nächtlichen Ausgangsbeschränkungen war es unerlässlich, dass – soweit trotz veränderter Sachlage von der Möglichkeit der Übergangsregelung des § 28a Abs. 9 IfSG (weiter) Gebrauch gemacht wurde – die tatsächlichen Grundlagen für die fortbestehende Notwendigkeit einer solchen Maßnahme formal hinreichend deutlich aus der Verordnungsbegründung hervorgehen.

Die Regelung zu den nächtlichen Ausgangsbeschränkungen war zudem wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf körperliche Bewegungsfreiheit verfassungswidrig. Für die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen auf der Grundlage des § 28a Abs. 9 IfSG galt zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses ein besonders strenger Rechtfertigungsmaßstab, da der Bundesgesetzgeber zu diesem Zeitpunkt die gesetzgeberische Entscheidung getroffen hatte, dass Ausgangsbeschränkungen grundsätzlich nicht mehr zulässig sein sollten. Der geringe Beitrag zur Pandemiebekämpfung, den die mit einer Vielzahl von Ausnahmegründen versehenen und damit in ihrer Wirkung ganz erheblich reduzierten nächtlichen Ausgangsbeschränkungen nach § 28 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO zu leisten imstande waren, vermochte die Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung gegenüber den nicht von den Ausnahmetatbeständen erfassten Personen nicht mehr aufzuwiegen.

Im Übrigen hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof den Normenkontrollantrag, der sich gegen eine Vielzahl weiterer Vorschriften der damaligen Corona-Verordnung richtete, als unzulässig verworfen. Die Antragstellerin ist insoweit den verfassungsprozessualen Darlegungsanforderungen nicht hinreichend nachgekommen.

Quelle: Thüringer Verfassungsgerichtshof