Für jede Verletzung der Obliegenheiten haften die Geschäftsführer solidarisch auf Schadenersatz gegenüber der GmbH. Nicht selten drohen einem Geschäftsführer und seiner Familie dann auch finanziell ruinöse Folgen.
Der Geschäftsführer gestaltet die Geschicke seiner GmbH mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes. Häufig wird dabei übersehen, dass ihn nicht nur eine Verantwortlichkeit für das Interesse der von ihm geführten Gesellschaft, sondern in der Krise des Unternehmens auch eine Verantwortlichkeit für Gläubigerinteressen trifft.
Diese Verantwortung wird zumeist falsch verstanden, indem ein einzelner Gläubiger, etwa ein wichtiger Lieferant, im Rahmen der Geschäftsbeziehung noch befriedigt wird, andere Gläubiger hingegen nicht. Einem Geschäftsführer ist selten bewusst, dass er der Gesamtheit aller Gläubiger dann Haftungsmasse entzieht, obgleich er verpflichtet ist, diese im Interesse aller zusammenzuhalten.
Neben das bekannte insolvenzrechtliche Institut der Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung durch den Insolvenzverwalter tritt in der Rechtsprechung zunehmend ein gesellschaftsrechtlicher Anspruch der GmbH gegen den Geschäftsführer aus § 64 Satz 1 GmbHG. Danach ist der Geschäftsführer verpflichtet, der Gesellschaft Zahlungen zu erstatten, die er nach Insolvenzreife an Dritte geleistet hat.
Überblick über die wirtschaftliche Lage
Der Geschäftsführer muss stets in der Lage sein, die finanzielle Situation der Gesellschaft zu überblicken.
Dabei ist der Geschäftsführer verpflichtet, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, insbesondere über das Vorliegen der Insolvenzreife, zu vergewissern.
Verfügt er nicht selbst über die zur Feststellung der Insolvenzreife erforderliche Sachkunde, dann muss er bei Anzeichen einer Krise unverzüglich eine fachlich qualifizierte Person einschalten und auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses durch diese Person hinwirken.
Das bedeutet, dass der Geschäftsführer aufgrund von ihm geschaffener entsprechender Strukturen stets in der Lage sein muss, die finanzielle Situation der Gesellschaft zu überblicken und damit eine heraufziehende Krise zu erkennen und während dieser den Überblick zu behalten.
Das wiederum setzt nicht nur eine zeitnahe Buchführung voraus, sondern auch eine hinreichende Unternehmensplanung, die einen Zeitraum von zwei Jahren dokumentieren sollte und zur Haftungsvermeidung des Geschäftsführers schriftlich zu erstellen ist.
Fortführungsprognose
In der Praxis wird der Geschäftsführer regelmäßig seine Prüfung mit der sorgfältigen Analyse der Zukunftsprognose beginnen. In objektiver Hinsicht basiert die Fortführungsprognose auf einem aus der Sicht ex ante nachvollziehbaren, schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzept, das die Geschäftsentwicklung des gesamten Unternehmens der Gesellschaft über den Prognosezeitraum, also mindestens das laufende sowie das jeweils folgende Geschäftsjahr, prognostisch abbildet.
Annahmen über die Unternehmensentwicklung und die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen während des Prognosezeitraums dürfen nur bei entsprechenden tatsächlichen Anhaltspunkten für ihre Realisierung berücksichtigt werden. Der Rekurs auf bloße Hoffnungen ist dem Geschäftsführer nicht gestattet.
Ergeben sich aus dieser Unternehmensplanung Fragen an die Insolvenzreife der Gesellschaft, die der Geschäftsführer aus eigener Sachkunde regelmäßig nicht wird beurteilen können, so darf er sich des fachkundigen Rates einer geeigneten Person bedienen.
Ausstehende Forderungen
Eine solche Frage kann beispielsweise die Bewertung einer ausstehenden und überfälligen Forderung sein. Unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten ist dabei eine Bewertung unter dem Gesichtspunkt: ganz oder gar nicht einem wertmäßigen Abschlag in der Regel vorzuziehen.
Problematisch ist regelmäßig auch die Beurteilung einer Zahlungsunfähigkeit: Nach der Legaldefinition in § 17 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) ist ein Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.
Forderungen sind jedoch nur dann im insolvenzrechtlichen Sinne fällig, wenn sie durch den Gläubiger ernsthaft eingefordert werden: Es muss eine Gläubigerhandlung feststehen, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt (BGH ZIP 2007, 1666; BGH ZInsO 2011, 1742).
Demnach wird auch eine Forderung, die früher ernsthaft eingefordert wurde, bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigt, wenn mit dem Gläubiger ein Stillhalteabkommen getroffen wurde, auch wenn dieses keine Stundungsvereinbarung im rechtlichen Sinne darstellt.
Forderungen, die rein tatsächlich – also auch ohne Rechtsbindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind, bleiben bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit außer Betracht (BGH ZInsO 2011, 1742).
Fachkundiger Rat
Fachkundige Personen sind unzweifelhaft Wirtschaftsprüfer und im Insolvenzrecht erfahrene Rechtsanwälte, aber auch Unternehmensberater mit Sachkunde im Insolvenzrecht sowie Steuerberater.
Einem Steuerberater ist wegen der hohen Haftungsträchtigkeit eines falschen insolvenzrechtlichen Rates jedoch von Selbstüberschätzung abzuraten.
Ob Rechtsanwälte, die nicht über einen Fachanwalt in einem der drei relevanten Bereiche verfügen, den Anforderungen an die Sachkunde genügen, wird im Einzelfall nachzuweisen sein.
Auf den Rat einer solchen fachkundigen Person sollte sich ein Geschäftsführer gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eigentlich verlassen dürfen:
„Es wäre nicht zu rechtfertigen, einem organschaftlichen Vertreter abzuverlangen, unabhängigen, fachkundigen Rat zur Klärung des Bestehens einer Insolvenzlage einzuholen, und es ihm gleichwohl als schuldhaften Verstoß gegen seine Sorgfaltspflicht anzulasten, wenn er sich – trotz fehlender eigener ausreichender Sachkunde – dem fachkundigen Rat entsprechend verhält.“ (BGH, Urteil vom 14.05.2007 – II ZR 48/06, DStR 2007, 1174, 1176 mit Anm. Goette).
Plausibilitätsprüfung
Damit sollen nicht nur Gefälligkeitsgutachten vermieden werden, sondern auch ein Handeln wider bessere Einsicht.
Diesen hehren Worten zum Trotz und als seien all die Hürden in der Praxis nicht schwierig genug umzusetzen, verlangt der BGH aber von dem Geschäftsführer, den von ihm aufgrund mangelnder Sachkunde nachgefragten fachkundigen Rat seinerseits einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen.
Damit sollen nicht nur Gefälligkeitsgutachten vermieden werden, sondern selbstverständlich auch ein Handeln wider bessere Einsicht, etwa wenn dem Gutachter für die Entscheidung wesentliche Umstände – für den Geschäftsführer erkennbar – entgangen sind.
Klagende Insolvenzverwalter neigen dazu, die Grenzen dieser Plausibilitätsprüfung so weit als möglich zulasten des Geschäftsführers auszudehnen mit dem Argument, es sei von Anfang an erkennbar gewesen, dass der erteilte Rat falsch gewesen sei, wie der Geschehensablauf ja dann auch erwiesen habe. Schließlich ist man im Nachhinein stets klüger.
Kaufmännische Sorgfalt
Lange Zeit bestand zwischen den obersten Gerichten des Bundes in den verschiedenen Rechtszweigen Streit darüber, welche Zahlungen nach Insolvenzreife noch mit der kaufmännischen Sorgfalt von Geschäftsführern zu vereinbaren sind.
Nach Meinung des BGH sind Zahlungen von rückständigen Lohn- und Umsatzsteuern sowie Zahlungen von rückständigen Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung trotz Insolvenzreife der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar und begründen dementsprechend keine Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG (BGH ZIP 2008, 1275 und erneut ZIP 2011, 422).
Dahinter steht der Gedanke, dass der Geschäftsführer in eine Pflichtenkollision gerät, sofern ihm gesellschaftsrechtlich die Zahlung eines Arbeitnehmerbeitrages zur Sozialversicherung verboten wird, gleichzeitig aber die Nichtabführung einen Straftatbestand darstellt.
Dies war in der Rechtsprechung aber lange Zeit nicht fest ausgemacht.
Masseerhaltungspflicht
Haftungsauslösend sind hingegen die Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung und insbesondere auch Zahlungen auf ein debitorisches Konto bei einer Bank, und zwar auch dann, wenn der Kreditrahmen nicht ausgeschöpft ist.
Dafür soll es genügen, wenn nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit noch Briefköpfe mit der Angabe des Kontos übersandt werden (OLG Oldenburg, ZIP 2004, 1315), denn der Geschäftsführer hat aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht dafür zu sorgen, dass Zahlungen von Gesellschaftsschuldnern nicht auf ein debitorisches Konto erfolgen (BGH ZIP 2007, 1006).
Die Zahlung auf ein debitorisches Bankkonto führt jedoch dazu, dass der Schuldsaldo gegenüber der Bank als Gläubiger zurückgeführt wird.
Der Insolvenzverwalter als Kläger hat seinerseits ein Auswahlermessen, die Bank oder eben den Geschäftsführer auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, wobei eine Verurteilung des Geschäftsführers nur Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs gegen die Bank erfolgen darf. Aufgrund der komplexen Rechtslage sollte der Beklagtenvertreter nicht vergessen, darauf hinzuweisen.