Zivilprozessordnung - 25. Juli 2024

BRAK begrüßt Regelungsentwurf für Online-Verfahren

BRAK, Mitteilung vom 24.07.2024

Streitigkeiten mit geringen Streitwerten sollen nach Plänen des Bundesjustizministeriums künftig in einem schnellen Online-Verfahren durchgesetzt werden können. Geregelt werden soll das in einem neuen 12. Buch der Zivilprozessordnung. Die BRAK begrüßt die Regelungsvorschläge, formuliert aber an einigen Stellen Änderungsbedarf.

Mit dem Mitte Juni vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit soll ermöglicht werden, dass an einzelnen Gerichten ein Online-Verfahren erprobt wird, mit dem Zahlungsansprüche mit geringen Streitwerten geltend gemacht werden können. Hierzu sollen digitale Unterstützungswerkzeuge genutzt und der Prozessstoff strukturiert erfasst werden.

Für das Reallabor zur Erprobung und Evaluierung des Online-Verfahrens wird die Zivilprozessordnung (ZPO) um ein weiteres Buch ergänzt. Mit dem neuen 12. Buch der ZPO wird das Prozessrecht generell für eine Erprobungsgesetzgebung geöffnet und kann durch weitere Experimentierklauseln und Reallabore ergänzt werden.

Im Kern sollen in dem neuen Online-Verfahren Rechtsuchende bei der Erstellung einer Klage durch Informationsangebote und Eingabe- und Abfragesysteme unterstützt werden. Dafür soll zunächst weiterhin der elektronische Rechtsverkehr genutzt und mit der bestehenden Infrastruktur zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) auch die Anwaltschaft in die Erprobung einbezogen werden. Die allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO werden dazu modifiziert, insbesondere sollen die Möglichkeiten für Verfahren ohne mündliche Verhandlung und für Videoverfahren erweitert und das Beweisverfahren erleichtert werden. Anträge und Erklärungen sollen unmittelbar über eine Kommunikationsplattform abgegeben werden können. Dabei soll auch die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch die Parteien und das Gericht (z. B. bei Vergleichsabsprachen) und die Zustellung von Dokumenten über die Plattform ermöglicht werden.

Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt; nach vier und acht Jahren soll das Gesetz evaluiert werden.

In ihrer Stellungnahme begrüßt die BRAK grundsätzlich die Erprobung des zivilgerichtlichen Online-Verfahrens ebenso wie die gesetzessystematische Verortung des Erprobungsgesetzes als nunmehr 12. Buch der ZPO. Dass die Anwaltschaft bei der vorgesehenen digitalen Klageeinreichung einbezogen werden soll, ist aus Sicht der BRAK ebenfalls positiv, ebenso wie die Berücksichtigung des sog. sicheren Übermittlungsweges über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) und die Bereitstellung der Kommunikationsplattform.

Zugleich adressiert der Entwurf punktuelle Bedenken: Hervorzuheben ist der vorgesehene Verzicht auf die mündliche Verhandlung auch gegen den Willen mindestens einer Partei oder gar beider Parteien (§ 1226 ZPO-E). Hier schlägt die BRAK Änderungen vor und fordert, dass es nicht nur einen auf Freiwilligkeit beruhenden Weg in das Online-Verfahren geben soll, sondern auch aus dem Online-Verfahren hinaus. Die BRAK sieht wesentliche Prozessgrundsätze eingeschränkt, weil § 1226 ZPO-E eine Abkehr vom Prinzip der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme mit sich bringt.

Ergänzenden Regelungsbedarf sieht die BRAK auch in Bezug auf die Kommunikationsplattform, bei der Verwendung und Bereitstellung strukturierter Datensätze im Online-Verfahren, bei der vorgesehenen Benachrichtigung der Beteiligten, bei den Neuregelungen zur Zustellung sowie bei der Identifizierung und Authentifizierung an den Systemen.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, Nachrichten aus Berlin – Ausgabe 15/2024