EU-Recht - 5. August 2024

Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen: EU-Kommission startet Konsultation

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 02.08.2024

Behinderungsmissbrauch schadet sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern. Er führt zu höheren Preisen, weniger Innovation und schlechterer Qualität von Waren und Dienstleistungen. Daher brauchen wir klare Spielregeln, damit wir gegen Behinderungsmissbrauch wirksam vorgehen können. Die EU-Kommission hat eine öffentliche Konsultation eingeleitet: Alle Interessenträger werden aufgefordert, zum Entwurf der Leitlinien zum Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen Stellung zu nehmen.

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin und zuständig für Wettbewerbspolitik, forderte alle Interessenträger auf, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen: „Unser Leitlinienentwurf soll einen klaren, kohärenten und praktikablen Rahmen für die Beurteilung von missbräuchlichen Verhaltensweisen bieten. Der Entwurf spiegelt unsere Auslegung der EU-Rechtsprechung und die wertvolle Erfahrung wider, die die Kommission bei der Durchsetzung der Missbrauchsbekämpfungsvorschriften gewonnen hat.“

Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verbietet marktbeherrschenden Unternehmen missbräuchliche Verhaltensweisen, so auch Verhaltensweisen, die Wettbewerber vom Markt ausschließen. Beispiele für Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen sind Verdrängungspreise, Kosten-Preis-Schere, Ausschließlichkeitsbindungen und Lieferverweigerungen.

Die Durchsetzung des Artikels 102 AEUV ist von entscheidender Bedeutung dafür, dass auf den Märkten wirksamer Wettbewerb herrscht, alle Unternehmen eine faire Chance bekommen, sich im Wettbewerb zu behaupten, und die Verbraucher von den Vorteilen wettbewerbsorientierter Märkte profitieren können. Die Kommission hat bei der Durchsetzung des Artikels 102 AEUV umfassende Erfahrung gesammelt, insbesondere im Bereich Behinderungsmissbrauch. Gleichzeitig ist Artikel 102 AEUV der einzige Bereich des EU-Wettbewerbsrechts, in dem noch keine Leitlinien die Anwendung der Bestimmungen klären.

Neue Leitlinien werden Rechtssicherheit erhöhen

Der am 02.08.2024 veröffentlichte Leitlinienentwurf soll darlegen, wie die Kommission die Rechtsprechung der EU-Gerichte zum Behinderungsmissbrauch auslegt, und die Beschlusspraxis der Kommission widerspiegeln. Dies wird die Rechtssicherheit zum Nutzen der Verbraucher und Unternehmen sowie der nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte erhöhen.

Insbesondere enthält der Leitlinienentwurf Orientierungshilfen zu verschiedenen Schlüsselfragen im Zusammenhang mit Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, unter anderem

  • zum Zweck der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und zum Konzept des Verbraucherwohls im EU-Recht, auch in Bezug auf Behinderungsmissbrauch;
  • zu den wichtigsten Grundsätzen für die Beurteilung einer alleinigen und einer kollektiven marktbeherrschenden Stellung;
  • zur Anwendung allgemeiner Grundsätze für die Feststellung, ob ein Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens wahrscheinlich einen Missbrauch darstellt, und insbesondere zu den Begriffen „Leistungswettbewerb“ und „Verdrängungswirkungen“;
  • zu den Beweisen, die erforderlich sind, um zu belegen, dass ein Verhalten geeignet ist, Verdrängungswirkungen zu entfalten. In dem Leitlinienentwurf wird unterschieden zwischen: i) Kategorien von Verhaltensweisen, für die der Nachweis erbracht werden muss, dass sie Verdrängungswirkungen entfalten können, ii) Kategorien von Verhaltensweisen, die ein hohes Potenzial haben, zu Verdrängungswirkungen zu führen, und iii) reinen Beschränkungen, die automatisch zu Verdrängungswirkungen führen;
  • zum materiellrechtlichen Maßstab für die Feststellung der Möglichkeit, dass ein Verhalten Verdrängungswirkungen entfalten könnte;
  • zum Analyserahmen für bestimmte Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen. In dem Entwurf wird unterschieden zwischen: i) Verhaltensweisen, die spezifischen, in der EU-Rechtsprechung verankerten rechtlichen Prüfungen unterliegen (d. h. Ausschließlichkeitsbindungen, Kopplung und Bündelung, Lieferverweigerung, Verdrängungspreise und Kosten-Preis-Schere), und ii) Verhaltensweisen, die keinen spezifischen rechtlichen Prüfungen unterliegen (d. h. bedingte Rabatte, Bündel- oder Paketrabatte, Selbstbevorzugung und Zugangsbeschränkungen);
  • zu den allgemeinen Grundsätzen für die Beurteilung objektiver Rechtfertigungen, die das beherrschende Unternehmen vorbringen kann.

Nächste Schritte

Alle Interessenträger können sich bis zum 31. Oktober 2024 zu dem Leitlinienentwurf äußern. Weitere Informationen, einschließlich Anweisungen zur Einreichung von Stellungnahmen, sind hier abrufbar.

Die Kommission plant derzeit, den Entwurf der Leitlinien zum Behinderungsmissbrauch auf der Grundlage der im Rahmen dieser öffentlichen Konsultation eingegangenen Stellungnahmen im Laufe des Jahres 2025 fertigzustellen.

Quelle: EU-Kommission