Die gesetzlichen Vertreter der juristischen Personen des öffentlichen Rechts müssen im Hinblick auf die grundlegende Reform der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand aktiv werden.
Der deutsche Gesetzgeber hat die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend reformiert, indem er den alten § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) durch den neu geschaffenen § 2b UStG ersetzt hat. In Zukunft werden durch die gesetzliche Neuregelung insbesondere Beistandsleistungen und Leistungen im Rahmen der Vermögensverwaltung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) steuerbar sein. Außerdem kommt der bisherigen Grenze der Finanzverwaltung für die Annahme eines Betriebs gewerblicher Art von 35.000 Euro für das Umsatzsteuerrecht künftig keine Bedeutung mehr zu. Nur für die jPöR, die auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig wird, ist der Anwendungsbereich des § 2b UStG eröffnet. Handelt sie hingegen auf privatrechtlicher Grundlage, findet § 2b UStG keine Anwendung. Auch wenn der öffentlichen Hand – wenn sie denn von der Optionserklärung Gebrauch gemacht hat – dank der Übergangsregelung nach § 27 Abs. 22 UStG noch vier Jahre Zeit für die Umstellung bleiben, wird der Arbeitsaufwand immens sein.
Die Neuregelung im Überblick
Der Gesetzgeber orientiert sich mit der gesetzlichen Neuregelung weitestgehend an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Weiterhin ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die jPöR überhaupt nachhaltig Leistungen gegen Entgelt erbringt und daher grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 UStG als Unternehmer tätig ist. Für diesen Fall sind bei jPöR die Voraussetzungen des § 2b UStG klärungsbedürftig. § 2b UStG hebt dabei die Anbindung der Umsatzbesteuerung von jPöR an das Körperschaftsteuerrecht auf. § 2b Abs. 1 UStG gibt vor, wann eine jPöR nicht als Unternehmer handelt. Anders als bisher formuliert der Gesetzgeber keine notwendigen Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft von jPöR. Er nennt vielmehr Ausschlusskriterien. Gemäß der bisherigen Rechtsprechung des BFH muss die jPöR zunächst öffentliche Gewalt ausüben. Darüber hinaus darf ihre Behandlung als Nichtunternehmer nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen. § 2b Abs. 2 und 3 UStG nennen insgesamt vier Konstellationen, bei denen der Gesetzgeber annimmt, dass die jPöR nicht in einem größeren Wettbewerb mit privaten Dritten steht. Da § 2b Abs. 2 und 3 UStG sich nur auf das Tatbestandsmerkmal Wettbewerbsverzerrungen beziehen, sind beide Absätze nur bedeutsam, wenn die jPöR öffentliche Gewalt ausübt. § 2b Abs. 4 UStG nennt schließlich Fälle, in denen die jPöR zwingend Leistungen als Unternehmer erbringt.
Handeln auf öffentlich-rechtlicher Grundlage
Die Begünstigungen nach § 2b UStG greifen nur für die öffentlich-rechtlich, aber nicht zivilrechtlich handelnde jPöR. Eine zivilrechtlich handelnde jPöR ist grundsätzlich Unternehmer. Bereits in der Gesetzesbegründung ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass eine jPöR nur dann öffentliche Gewalt ausübt, wenn sie im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig ist. Diese wichtige Unterscheidung hat der Gesetzgeber jedoch nicht im Gesetz, sondern nur in der Gesetzesbegründung getroffen. Ob dieser Ansatz zutreffend ist, wird sich noch zeigen.
Vor- und Nachteile der Neuregelung
Die Neuregelung ist vorteilhaft, indem sie Unklarheiten beseitigt, die Divergenz von Rechtsprechung und Finanzverwaltungsauffassung bereinigt und die Begünstigung von öffentlich-rechtlichen Kooperationen legal definiert. Schließlich bietet der lange Übergangszeitraum die Möglichkeit einer sauberen Umstellung.
Dem stehen jedoch nicht minder schwerwiegende Nachteile gegenüber. Für den Rechtsanwender vermag die Trennung von Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer im Umsatzsteuerrecht nachteilig wirken. Die allgemeine Umsatzsteuerbarkeit privatrechtlicher Entgelte und die gleichzeitigen Unklarheiten im Blick auf das Verständnis von öffentlich-rechtlichem Handeln sind nachteilig. Die Gestaltungsmöglichkeiten in Form des Rosinenpickens durch die Berufung auf das günstigere Unionsrecht fallen weg. Schließlich ist mit der Neuregelung wegen der notwendigen Umstellung faktisch für alle jPöR viel Arbeit verbunden. Diese ist auch umgehend aufzunehmen. Denn die Besteuerung der öffentlichen Hand steht nunmehr vermehrt im Fokus der Finanzbehörden.
Die Übergangsregelung bietet alle Varianten. Es ist nahezu ein Steuerrecht à la carte. Da die Verantwortlichen aber neben ihren Steuerpflichten auch den Haushaltspflichten nachkommen müssen, sind Günstigerprüfungen unerlässlich. Das Steuerrecht à la carte kann daher Segen und Fluch zugleich sein. Dies wird noch deutlicher unter dem Aspekt der weiterhin bestehenden Rechtsunsicherheit.
Die neuen Herausforderungen für jPöR
Umstellungen sind für jPöR unumgänglich. Eine Vielzahl der jPöR wird aufgrund der Neuregelung des § 2b eine erhebliche Mehrbelastung erfahren. Hat sich der Steuerverantwortliche bislang um nur wenige Betriebe gewerblicher Art gekümmert, so ist er zukünftig angehalten, jede Einnahme im Blick zu haben. Dies erfordert ein strukturiertes Konzept, nach dem er die Übergangsphase gestaltet.
Die Organisation der Antragstellung nach § 27 Abs. 22 UStG ist mit Ende des Jahres 2016 abgeschlossen. Jetzt gilt es, spätestens ab 2021 die Vorgaben des § 2b UStG richtig umzusetzen. Materiell-rechtlich sind unter anderem sämtliche Einnahmen insbesondere daraufhin zu prüfen, ob sie auf einer privatrechtlichen Grundlage beruhen. Auch die Neuprogrammierung der IT ist erforderlich, um per Knopfdruck die Umsatzsteuer-Voranmeldung pünktlich abgeben zu können. Ein Steuerreferat wird künftig zwingend erforderlich sein. Es ist gerade im Sinne des gesetzlichen Vertreters der jeweiligen jPöR, ein solches Referat einzurichten, um damit seine eigenen Compliance-Pflichten zu erfüllen. Andernfalls droht die Inanspruchnahme wegen Organisationsverschulden. JPöR werden immer häufiger mit dem Steuerstrafrecht konfrontiert. Innerhalb der Körperschaft sind daher die steuerrechtlichen Prozesse im Sinne eines steuerrechtlichen Tax Compliance Systems (zu Deutsch internes Kontrollsystem Steuern, IKS Steuern) neu zu organisieren.
Fazit
Die gesetzlichen Vertreter der jPöR müssen im Hinblick auf die Neuregelung des § 2b UStG aktiv werden, um ihrer Verantwortung nachzukommen. Sie sind aufgefordert, das Thema zu organisieren, Tax-Compliance-Strukturen zu schaffen, Schulungen anzubieten und so weiter. Diese Liste lässt sich nahezu beliebig fortführen. Kurzum: Die jPöR stehen vor einer großen Herausforderung.
Foto: mbbirdy, Ridofranz / Getty Images
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