Ein neuer Standard für elektronische Rechnungen hat das Potenzial, die Papierrechnung abzulösen. Denn damit können nun auch Eingangsrechnungen weitgehend automatisiert gebucht werden.
Der klassische Pendelordner ist immer noch die meistgenutzte Variante, um buchführungsrelevante Informationen vom Mandanten zum Steuerberater zu transportieren, da etwa 80 Prozent aller Rechnungen in Deutschland in Papierform erstellt und übermittelt werden. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) liegt der Anteil noch deutlich höher.
Für Geldkonten und den Rechnungsausgang existieren bereits praktikable Automationsverfahren. Die Buchungen zum Rechnungsausgang lassen sich teilweise bereits aus der Warenwirtschaft oder dem Fakturierungsprogramm exportieren, Kontoumsatzdaten werden direkt von der Hausbank über das Rechenzentrum an die Finanzbuchführung übermittelt. Die noch fehlende Kontierung lässt sich durch Lerndateien, eine gewisse Kontinuität in den Geschäftsbeziehungen des Mandanten vorausgesetzt, mit Trefferquoten von über 90 Prozent vorbelegen.
Ist-Zustand der Rechnungsbearbeitung
Die elektronische Übermittlung von Rechnungen ist ökonomisch und ökologisch überaus sinnvoll.
Beim Rechnungseingang hingegen steht die Zeit seit über 50 Jahren still. Lediglich die Journalbuchhaltung ist weitgehend durch EDV-Systeme abgelöst worden, alle übrigen Prozesse bleiben am Papierdokument orientiert: Umschlag öffnen, Eingangsstempel, Weitergabe in den betriebsinternen Prüfpfad, Abgleich mit Bestellung und Lieferschein, Überprüfung von Rabatt- und Zahlungskonditionen, Erstellung eines Zahlungsträgers oder Kontrolle der Lastschrift, Weitergabe an den steuerlichen Berater, umsatzsteuerliche Prüfung, Kontierung, Verbuchung, Rückgabe an den Mandanten und dort die Archivierung für zehn Jahre. Währenddessen werden oft mehrere Kopien gefertigt. Das Verfahren ist personalintensiv und fehleranfällig. Die Vollkosten pro Eingangsrechnung in Papierform liegen bei 30 bis 50 Euro pro Rechnung.
Elektronische Rechnung – wer profitiert?
Die elektronische Übermittlung von Rechnungen ist ökonomisch und ökologisch überaus sinnvoll. Doch wer profitiert davon? Derzeit primär der Rechnungsaussteller, der erhebliche Kosten für Ausdruck, Kuvertierung und Versand einspart. Zudem werden elektronische Rechnungen im Durchschnitt früher beglichen und laufen seltener ins Mahnverfahren. Aufseiten des Rechnungsempfängers gestaltet sich die Verarbeitung elektronisch eingehender Rechnungen im Vergleich zur Papiervariante bislang nur selten effizienter: In über 80 Prozent der Kleinunternehmen werden elektronische Rechnungen ausgedruckt, händisch weiterbearbeitet und, obwohl nicht gesetzeskonform, als Ausdruck archiviert. Zwar lässt sich bei elektronischen und gescannten Papierrechnungen mittels Texterkennung (OCR) jedes Zeichen maschinell verwertbar auslesen, dies kann aber wegen der unterschiedlichen Belegaufbauten und Belegqualitäten nie bei 100 Prozent liegen.
Die Industrie kennt seit etlichen Jahren Standards zum Austausch von Rechnungsdaten in strukturierter Form (EDI). Diese sind jedoch meist branchenspezifisch und erfordern auf Aussteller- und Empfängerseite eine Absprache über den zu verwendenden Standard und eine aufwendige Systemeinrichtung. Ohne ein entsprechendes System kann die EDI-Rechnung weder gelesen noch verarbeitet werden.
ZUGFeRD
Im Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) haben sich Vertreter der Verwaltung, zahlreiche Verbände und Unternehmen, hierunter auch die DATEV eG, zusammengeschlossen. Ziel ist, ein standardisiertes elektronisches Rechnungsformat zu schaffen, das einerseits ohne Absprachen und mit minimaler technischer Ausstattung empfangen und gelesen werden, gleichzeitig aber – optional – digital weiterverarbeitet werden kann.
Das Ergebnis des Projekts ist ein Hybridmodell: Die ZUGFeRD-Rechnung (ZUGFeRD = Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland) ist dem Grunde nach ein PDF-Dokument, kann also mit jedem gängigen Betriebssystem visualisiert, gespeichert und ausgedruckt werden.
Dieses Dokument enthält in einem Anhang ein Doppel der Rechnung (§ 14 Abs. 4 UStG) in Form eines strukturierten Datensatzes. ZUGFeRD-kompatible Systeme können die Rechnungsdaten ohne Medienbruch in der Belegbearbeitung, im Zahlungsverkehr, in der Finanzbuchführung und für die Archivierung auslesen und verarbeiten. Verfügt der Rechnungsempfänger nicht über eine solche Software, kann er die Rechnung wie jedes PDF-Dokument ansehen, ausdrucken oder speichern.
Technische Plattform
ZUGFeRD nutzt als Plattform den relativ jungen PDF/A-3-Standard, der durch eine Reihe von Vorgaben sicherstellt, dass die Dokumente auch auf künftigen, bislang nicht bekannten Betriebssystemen unverändert lesbar sind. Der PDF/A-3-Standard ermöglicht erstmals, andere Dateien mit einem bestimmten Bezug zum PDF-Dokument anzuhängen. Bei der ZUGFeRD-Rechnung wird eine Datei im XML-Format in das PDF eingebettet, die die Rechnungsdaten in strukturierter Form enthält. Dort steht beispielsweise vor dem Rechnungsdatum die maschinell lesbare Anweisung „IssueDateTime“, die das Ausstellungsdatum eindeutig und standardisiert vom Bestell- oder Lieferdatum abgrenzt.
Verschiedene Profile
Der Berater ist gefragt, die Entwicklungen bei der elektronischen Rechnung zu erkennen.
Je nach gewünschtem Automationsgrad der am Rechnungsaustausch Beteiligten stellt ZUGFeRD derzeit drei Profile mit verschiedenen Strukturierungstiefen zur Verfügung. Während das Basic-Profil nur die zur Verbuchung und zur Einleitung des Zahlungsverkehrs erforderlichen Mindestangaben beinhaltet, können im Extended-Profil auch Bestellreferenzen oder eigene und fremde Artikelnummern übermittelt werden. Dazwischen liegt das Comfort-Profil, das alle Angaben zur finanzbuchhalterischen, digitalen und automatischen Verarbeitung enthält. Grundsätzlich gilt die Devise:
Weniger ist mehr. Denn alles, was strukturiert übermittelt und gespeichert wird, kann auch im Rahmen einer Betriebsprüfung maschinell ausgewertet werden.
Europäische Norm
Die Europäische Kommission fokussiert mit der Digitalen Agenda die Förderung digitaler Abläufe in der europäischen Wirtschaft. Zu den geplanten Maßnahmen zählen insbesondere die Herstellung einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für die Nutzung elektronischer Rechnungen und die Erarbeitung eines einheitlichen Rechnungsdatenstandards. ZUGFeRD ist ein deutsches Produkt, basiert aber auf europäischen Normen für elektronische Rechnungen und ist damit europaweit nutzbar. Das Projekt hat für eine Reihe anderer Mitgliedstaaten Referenzcharakter und damit das Potenzial, zum europäischen Standard für elektronische Rechnungen zu werden. Ob sich das Format durchsetzen wird, hängt von der Akzeptanz durch Politik, Verwaltung und Wirtschaft der anderen Mitgliedstaaten ab. Der eindeutige Wille der Politik ist erklärt und im Zuge der E-Government-Prozesse auch teilweise bereits gesetzlich vereinbart.
Wann wird ZUGFeRD nutzbar?
Das ZUGFeRD-Format ist in der Version 1.0 seit dem 25. Juni 2014 nutzbar. Eine Reihe von Warenwirtschafts- und ERP-Systemen sind bereits heute in der Lage, ZUGFeRD bei der Erstellung von Ausgangs- und der Verarbeitung von Eingangsrechnungen zu nutzen. Die DATEV eG hat diese Funktionalitäten in ihre Programme Rechnungswesen, Unternehmen online, DATEV DMS und DATEV Dokumentenablage implementiert und stellt diese mit der Herbst-DVD allen Anwendern zur Verfügung.
Praxis
Vorausgesetzt der Mandant hat entsprechende ZUGFeRD-kompatible Software im Einsatz, könnte sich der Rechnungseingangsprozess künftig so darstellen: Im Mandantenbetrieb wird eine eigene E-Mail-Adresse für elektronische Rechnungen eingerichtet und den Lieferanten für den Rechnungsversand mitgeteilt. Bei den unter dieser Adresse eingehenden E-Mails wird die anhängende Rechnung programmgesteuert in einem bestimmten Ordner abgelegt, den das Warenwirtschaftssystem laufend überwacht. Eingangsrechnungen werden so automatisch mit der Bestellung und den gespeicherten Konditionen abgeglichen und zur Zahlung freigegeben. Die Rechnung wird per Drag-and-drop ins Zahlungsverkehrsprogramm übergeben und erzeugt automatisch eine Terminüberweisung. Nach Wahl mit oder ohne Skonto. Parallel wird ein Buchungssatz mit allen Rechnungsinformationen im Rechnungseingangsbuch erzeugt, der als Buchungszeile in die FIBU übernommen werden kann. Die Rechnung wird in einem separaten Archivverzeichnis oder schon bei Eingang im Dokumenten-Managementsystem hinterlegt. Jeder dieser Schritte kann wahlweise im Mandantenbetrieb oder über eine Rechenzentrumsschnittstelle beim Berater abgebildet werden. Im Idealfall wird damit aus der reinen Buchungszeile ein Full-Service-Produkt für die Bearbeitung von Eingangsrechnungen.
Fazit
Die antiquarischen Prozesse um Eingangsrechnungen sind überholt. Der Berater ist gefragt, diese Entwicklung zu erkennen und sich frühzeitig darauf einzustellen. Hierzu sollte er ein entsprechendes Dienstleistungsangebot entwickeln. Das hierzu erforderliche technische Know-how kann durch entsprechend fortgebildete Mitarbeiter oder durch externe Kooperationspartner vorgehalten werden.
Es gilt für den Steuerberater, sich diesen revolutionären Prozessen frühzeitig zu stellen und Lösungen für die Kanzlei und den Mandanten zu implementieren. Denn diese Veränderungen der digitalen Prozesse sehen gewerbliche Anbieter als Chance, in den Steuerberatermarkt zu drängen und mit Steuerberatern gerade im Bereich der Finanz- und Lohnbuchhaltung in Konkurrenz zu treten.
MEHR DAZU
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Informieren Sie sich über das Thema ZUGFeRD bei den aktuellen Veranstaltungen des IT-Clubs.
Termine und Anmeldung unter
www.datev.de/it-club.
Speziell für Ihre interessierten Mandanten gibt es den Unternehmer-Club, weitere Informationen unter
www.datev.de/unternehmer-club
Wie die DATEV-Programme elektronische Rechnungen im ZUGFeRD-Format verarbeiten, erfahren Sie im Beitrag „ZUGFeRD-Standard in DATEV-Programme integriert“ auf Seite 37.