Die EU-Erbrechts­ver­ord­nung - 17. Juli 2014

Kollisionen beseitigen

Die jüngste Reform im euro­päischen Erbrecht berührt zwar nicht das materielle Recht der einzelnen Mit­glied­staaten, ver­ein­heit­licht dafür aber das Kol­li­sions­recht der teil­neh­men­den Länder.

Immer mehr Deutsche haben eine Immobilie im Ausland. Nicht selten handelt es sich um ein Feriendomizil, etwa in der Toskana, auf Mallorca oder in Florida. Auch Kapitalanlagen im Ausland sind keine Seltenheit. Und immer mehr Ausländer leben in Deutschland und versterben auch hier. So haben heute bereits etwa zehn Prozent aller Erbfälle in Europa einen grenzüberschreitenden Bezug. Ein solcher liegt vor, wenn

  • der Erblasser oder sein Ehegatte Ausländer ist,
  • der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes im Ausland lebte oder
  • wenn Auslandsvermögen vorhanden ist.

Bei derartigen Erbfällen ist dann zu klären, welches Recht Anwendung findet. Diese Frage ist bisher nicht einheitlich geregelt. Einige Staaten stellen auf die Staatsbürgerschaft ab, andere auf den letzten Wohnsitz des Erblassers und wiederum andere darauf, wo sich der Nachlass befindet.
Deutschland wendet aktuell das sogenannte Staatsangehörigkeitsprinzip an. Danach wird ein Deutscher mit letztem Wohnsitz in Italien nach deutschem Erbrecht beerbt. Da auch Italien dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgt, gibt es im Ergebnis keine Schwierigkeiten für die Abwicklung eines solchen Nachlasses.

Ausgangsproblematik

Hatte ein Deutscher jedoch seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz, wird die Sache komplizierter. Die Schweiz wendet nämlich wie auch Norwegen oder Dänemark das sogenannte Wohnsitzprinzip an. Danach ist das Recht des Staates maßgeblich, in dem der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte.
Ähnlich verhält es sich, wenn ein deutscher Staatsangehöriger mit Immobilienbesitz in Frankreich verstirbt. Nach französischem Recht gilt hinsichtlich der Immobilie das Recht des Belegenheitsorts, also französisches Recht. Dagegen wird das in Deutschland befindliche Vermögen sowie das bewegliche Vermögen in Frankreich nach deutschem Recht vererbt.
Diese sogenannte Nachlassspaltung kann für die einzelnen Nachlassgegenstände zu völlig unterschiedlichen Erben und Erbquoten führen. Aber selbst wenn schnell geklärt werden kann, welches Recht anzuwenden ist und wer nach diesem Recht Erbe geworden ist, sind oft nicht alle Schwierigkeiten gelöst.
Auch die Legitimation eines Erben im Ausland gestaltet sich nach noch geltendem Recht oft schwierig. So kennen einige Staaten keinen Erbschein oder sie erkennen den deutschen Erbschein nicht an.

Harmonisierung ab August 2015

Derartige Konstellationen sollen durch die EU-Verordnung Nr. 650/2012 (EU-ErbVO) vermieden werden. Sie wird ihre inhaltliche Wirkung ab dem 17. August 2015 entfalten und dann bei einem Nachlass mit Auslandsbezug in der EU einheitliche Regeln darüber festlegen, welches Erbrecht zur Anwendung kommt.
Die neue Verordnung findet in allen EU-Mitgliedstaaten außer Dänemark, Irland und Großbritannien Anwendung und beseitigt die derzeitige Zersplitterung des Nachlasses durch die nationalen Erbrechte bei grenzüberschreitenden Erbfällen.
Die Verordnung beinhaltet aber kein einheitliches, europaweit gleiches Erbrecht. Sie bestimmt lediglich das Erbrecht des Staates, das zur Anwendung kommt. Dabei knüpft sie an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an.
Ein deutscher Staatsangehöriger, der im Rentenalter nach Spanien emigriert und dort nach einigen Jahren verstirbt, wird folglich nach spanischem Recht beerbt. Demgegenüber wird ein Italiener, der mit einer deutschen Frau hierzulande eine Familie gründet, nach seinem Tod nach deutschem Erbrecht beerbt.
Zudem wird durch die Verordnung das Europäische Nachlasszeugnis eingeführt, eine europaweit gültige Urkunde, vergleichbar mit dem in Deutschland verwendeten Erbschein.

Überlegungen zum eigenen Nachlass

Viele Menschen scheuen aus nachvollziehbaren Gründen die gedankliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod. Gleichwohl ist es sinnvoller, sich heute schon mit der eigenen Nachlassplanung zu beschäftigen.
Wo ist mein gewöhnlicher Aufenthalt? Welche Nachlassverteilung entspricht meinen Wünschen? Ist es angezeigt, eine entsprechende Verfügung von Todes wegen zu erstellen? Ist es in meinem Fall dann notwendig, eine Rechtswahlklausel in das Testament oder den Erbvertrag einzufügen? All diese Fragen sollte man sich heute schon stellen.

Fazit

Künftig kommt das Erb­recht des Staates zur An­wen­dung, in dem der Ver­stor­bene seinen letzten ge­wöhn­lichen Auf­ent­halt hatte.

Die EU-ErbVO führt zu durch­grei­fen­den Ver­än­de­run­gen, die vielen Bürgern heute noch nicht aus­rei­chend bekannt sind. Wurde ein deutscher Staats­an­ge­hö­riger bisher grund­sätz­lich nach deutschem Sach­recht beerbt, auch wenn er im Ausland verstarb (Staats­an­ge­hö­rig­keits­prin­zip), kommt künftig das Erb­recht des Staates zur An­wen­dung, in dem der Ver­stor­bene seinen letzten ge­wöhn­lichen Auf­ent­halt hatte.
Dieser Umstand kann bei grenzüberschreitenden Erbfällen zu Überraschungen führen. Ergo sollte jeder deutsche Staatsangehörige, der entweder im EU-Ausland lebt oder über Vermögen, insbesondere Immobilien, im EU-Ausland verfügt, mit den Grundzügen der EU-ErbVO vertraut sein.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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