Sozialversicherungsrecht - 7. August 2024

Kein Wechsel von privater in gesetzliche Krankenversicherung durch kurzzeitigen Teilrentenbezug

LSG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 07.08.2024 zum Urteil L 14 KR 129/24 vom 23.07.2024 (nrkr)

Der 14. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage befasst, ob Rentner durch die vorübergehende Wahl einer Teilrente von der privaten Krankenversicherung dauerhaft in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln können.

Der heute 69 Jahre alte Kläger ist seit dem Jahr 2008 privat krankenversichert, seit Juli 2019 verheiratet und bezieht, nachdem er seine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit aufgegeben hatte, neben einer Betriebsrente eine Rente der Deutschen Rentenversicherung. Zum 1. September 2021 beantragte er bei der Rentenversicherung, nur einen Teil seiner Rente ausgezahlt zu bekommen. Sodann beantragte der Rentner unter Verweis auf das nun unterhalb der maßgeblichen Einkommensgrenze liegende Monatseinkommen die Aufnahme in die beitragsfreie gesetzliche Familienversicherung seiner Ehefrau. Er teilte mit, nach drei bis vier Monaten wieder seine Vollrente beziehen und sodann in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben zu wollen. Dies lehnte die Krankenkasse seiner Ehefrau ab. Der Rentner beziehe die Teilrente nur vorübergehend. Bei der Berechnung der Einkommensgrenze komme es aber auf den Jahresdurchschnitt an. Die wesentlich höhere Vollrente, die der Kläger im Anschluss beziehen werde, sei daher zu berücksichtigen.

Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin blieb ohne Erfolg. Die missbräuchliche Wahl der Teilrente eröffne nicht den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung. In seiner Berufung hat der Rentner darauf verweisen, dass er lediglich sein legitimes gesetzliches Gestaltungsrecht gegenüber der Rentenversicherung genutzt habe.

Der 14. Senat des Landessozialgerichts hat mit seinem Urteil vom 23. Juli 2024 die Entscheidung des Sozialgerichts bestätigt. Er hat ausgeführt, dass der Bezug einer Teilrente für nur drei bis vier Monate regelmäßig keinen Wechsel von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Familienversicherung ermögliche. Die Wahl einer Teilrente sei zwar zulässig, ein nur vorübergehender Bezug stelle jedoch kein regelmäßiges Einkommen dar. Vielmehr sei prognostisch für die kommenden zwölf Monate ein Durchschnittseinkommen zu bilden aus derzeitiger Teilrente und beabsichtigter Vollrente. Bezieher von Renten seien nur dann in der Familienversicherung zu versichern, wenn dieses Durchschnittseinkommen geringer sei als die maßgebliche Einkommensgrenze. Diese Auslegung sei zum Schutz der Solidargemeinschaft der Krankenversicherung geboten. Die Familienversicherung solle Familien entlasten. Daher seien nur solche Familienangehörigen beitragsfrei mitzuversichern, die gegenwärtig und in absehbarer Zukunft bedürftig seien und blieben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann beim Bundessozialgericht die Revision einlegen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat die Revision zugelassen und auf die beabsichtigte Gesetzesänderung verwiesen, wonach der Weg in die Familienversicherung durch den Bezug einer Teilrente ausgeschlossen werden soll.

Die schriftliche Begründung der Entscheidung liegt bereits vor. Sie wird als Anhang zu dieser Pressemitteilung auf der Internetseite des Landessozialgerichts veröffentlicht.

Zum rechtlichen Hintergrund

Rentner, die bei einer privaten Krankenversicherung versichert sind, können nur unter sehr engen Voraussetzungen in die – meist deutlich günstigere – gesetzliche Krankenversicherung wechseln.

In der gesetzlichen Krankenversicherung können Ehegatten, Lebenspartner und Kinder unter bestimmten Umständen beitragsfrei mitversichert werden (§ 10 SGB V). Das versicherte Mitglied muss den Angehörigen lediglich bei seiner Krankenkasse anmelden, damit dieser Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse in Anspruch nehmen kann. Familienversicherte Angehörige dürfen jedoch nur geringe Einnahmen haben (im Jahr 2024 monatlich maximal 505 Euro, bei Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung maximal 538 Euro im Monat). Die Wahl einer Teilrente (§ 42 Abs. 1 SGB VI) ermöglicht es Rentnerinnen und Rentnern, selbst die monatliche Rentenhöhe zu bestimmen.

Nach dem Ende der Familienversicherung setzt sich der Krankenversicherungsschutz als gesetzliche Krankenversicherung fort (§ 188 Abs. 4 SGB V).

Eine Familienversicherung gibt es in der privaten Krankenversicherung nicht. Hier müssen Familienangehörige mit einem zusätzlichen Vertrag selbst versichert werden.

Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg