Sozialrecht - 17. Mai 2024

Bayerisches Landessozialgericht erkennt Thrombose nicht als Corona-Impfschaden an

LSG Bayern, Pressemitteilung vom 16.05.2024 zum Urteil L 15 VJ 2/23 vom 30.04.2024

Für den „Nachweis“ des Zusammenhangs zwischen einer Unterschenkelvenenthrombose und einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gegen COVID-19 genügt zwar der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit. Fehlende konkurrierende Ursachen reichen aber nicht aus.

Der Fall

Der 1968 geborene Kläger wurde am 03.07.2021 mit dem Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer) gegen COVID-19 geimpft. Am 16.07.2021 wurde bei ihm eine Unterschenkelvenenthrombose rechtsseitig diagnostiziert. Den vom Kläger daraufhin gestellten Antrag auf Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens lehnte der beklagte Freistaat Bayern mit der Begründung ab, dass sich nach den Erkenntnissen des Paul-Ehrlich-Instituts für den Impfstoff Comirnaty keine signifikante Erhöhung an Thromboseereignissen ergebe. Auch der Widerspruch, den der Kläger im Wesentlichen damit begründet hatte, dass sich die Beschwerden bereits wenige Tagen nach der Impfung eingestellt hätten, blieb erfolglos. Das Sozialgericht München wies die Klage ab, nachdem der mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragte Internist zu dem Ergebnis gekommen war, dass im direkten Anschluss an die Impfung keine Gesundheitsstörung dokumentiert worden sei.

Die Entscheidung

Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 30.04.2024 zurückgewiesen, nachdem auch die durch den Senat beauftragte Kardiologin in ihrem Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis gekommen war, dass die vom Kläger erlittene Unterschenkelvenenthrombose nach den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin nicht in einem kausalen Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty stehe.

Die Anerkennung als Impfschaden gemäß § 2 Nr. 11, 1. Halbsatz Infektionsschutzgesetz (IfSG) setze voraus, dass die Schutzimpfung zu einer gesundheitlichen Schädigung, also einem „Primärschaden“ in Form einer Impfkomplikation geführt habe, die wiederum den „Impfschaden“, d. h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also einen „Folgeschaden“ bedinge. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen müsse im Vollbeweis nachgewiesen sein. Hierfür ausreichend, aber auch erforderlich sei ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch am Vorliegen der Tatsachen zweifele und somit eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliege. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen den drei Gliedern der Kausalkette reiche nach § 61 Satz 1 IfSG der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus.

Ausgehend von diesen Grundsätzen habe sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass beim Kläger ein Impfschaden vorliege, weil es bereits am Nachweis einer Primärschädigung fehle. Die Beinvenenthrombose, die beim Kläger bestanden habe und die in einem gewissen – durchaus relativ engen – zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sei, sei nicht Folge der Impfung des Klägers gegen COVID-19. Ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang im o. g. Sinne sei nicht gegeben. Die Sachverständige habe plausibel dargelegt, dass es zwar durchaus Hinweise darauf gebe, dass Impfstoffe das generelle Thromboserisiko erhöhen würden. Die teilweise lebensgefährlichen Thrombosen nach COVID-19-Impfungen vor allem in hierfür ungewöhnlichen Venen würden auf der Auslösung der Bildung von Autoantikörpern durch speziell in den Vektorimpfstoffen (Astrazeneca-Vaccephrin) enthaltenen adenoviralen Antigenen beruhen. Hierdurch könne eine Signalkaskade ausgelöst werden, die zu einer massiven Thrombozytenaktivierung führe mit einerseits Thrombenbildung und andererseits Thrombozytenmangel im Blut mit Blutungsneigung (VITT). Eine derartige Konstellation mit Thrombose, Nachweis von Autoantikörpern gegen den Thrombozytenfaktor 4 und Thrombozytenmangel sei beim Kläger aber nicht festgestellt worden, vielmehr habe eine normale Thrombozytenzahl bestanden. Vor allem habe die Sachverständige darüber hinaus überzeugend dargestellt, dass eine solche Konstellation beim Kläger auch nicht zu erwarten gewesen sei, da er nicht mit einem Vektorimpfstoff, sondern mit dem mRNA-Impfstoff geimpft worden sei. Die Sachverständige habe nachvollziehbar festgestellt, dass nach Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff eine derartige thrombogene Konstellation so gut wie nie beobachtet worden sei. Für einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff und Thrombosen gebe es keine seriöse wissenschaftliche Lehrmeinung.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: Bayerisches Landessozialgericht