Zivilprozessordnung - 3. Juli 2024

Berufung verworfen: Anwalt legte kein beA-Nachrichtenjournal vor

BRAK, Mitteilung vom 03.07.2024 zum Beschluss 23 U 8369/21 des OLG München vom 19.06.2024

Ein Anwalt behauptete, ihm sei ein Teilurteil erst zwei Wochen nach Absendung per beA zugegangen. Das OLG München glaubte ihm das nicht.

Liegt viel Zeit zwischen dem Versand eines Urteils durch das Gericht und dem Eingang des anwaltlichen Empfangsbekenntnisses, kann das Gericht vom Anwalt die Vorlage seines beA-Nachrichtenjournals verlangen. Kommt der Anwalt dieser Aufforderung nicht nach, kann das Gericht das fristauslösende Urteil schon als früher zugegangen werten. Im konkreten Fall sah das OLG München deshalb ein zu spät eingelegtes Rechtsmittel als verfristet an (Beschluss vom 19.06.2024, Az. 23 U 8369/21).

Das Landgericht hatte sein Teilurteil bereits am 7. Oktober 2021 per beA an Kläger- und Beklagtenvertreter versendet. Laut elektronischen Eingangsbestätigungen ging es auch fast zeitgleich auf beiden Systemen ein. Entsprechend vermerkte der Klägervertreter auch den 7. Oktober als Zustelldatum in seinem Empfangsbekenntnis. Der Anwalt des Beklagten hingegen kam erst nach dreimaliger Aufforderung des Gerichts am 4. November seiner Pflicht nach, ein entsprechendes Empfangsbekenntnis an das Gericht zu schicken. Als Zustelldatum vermerkte er den 22. Oktober – und legte dementsprechend auch erst am 22. November die Berufung beim OLG gegen das Teilurteil ein.

Daraufhin wies das OLG den Beklagtenvertreter gem. § 142 Abs. 1 ZPO an, sein beA-Nachrichtenjournal in ausgedruckter Form vorzulegen. In diesem Journal ist gespeichert, wann die Nachricht des Gerichts eingegangen ist und wer sie wann zum ersten Mal geöffnet hat. Dieser Aufforderung kam der Anwalt aber nicht nach – stattdessen legte er ein Anlagenkonvolut mit diversen Dateiausdrucken vor, nicht aber das Nachrichtenjournal. Eine Stellungnahme zu der Frage, wie diese zeitliche Diskrepanz zwischen Versendung und angeblichem Eingang zustande gekommen sein könnte, erfolgte ebenfalls nicht.

OLG: Teilurteil muss deutlich früher zugestellt worden sein

Das OLG verwarf daraufhin die Berufung als verfristet, weil es entsprechend § 427 ZPO der Ansicht war, das LG-Urteil sei ihm „schon deutlich früher, jedenfalls vor dem 20. Oktober 2021 zugestellt worden.“ Anders, so das Gericht, könne es sich „das beharrliche Unterlassen, die angeforderte Unterlage zu übersenden und die vom Senat benannten Ungereimtheiten in Bezug auf die zeitlichen Abläufe zu erläutern, nicht erklären.“

Die Vermutungswirkung durch das Datum auf dem Empfangsbekenntnis des Beklagtenanwalts gem. § 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO a. F. sei hier entkräftet worden. Hierfür genüge zwar nicht die bloße Möglichkeit der Unrichtigkeit, so die ständige Rechtsprechung. Ebenso wenig allein eine erhebliche zeitliche Diskrepanz zwischen der Übersendung des Dokuments und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatum. Nach einer Gesamtwürdigung sei das Gericht aber dennoch jenseits vernünftiger Zweifel von einer früheren Zustellung überzeugt.

Schließlich habe der Beklagtenvertreter entgegen der gerichtlichen Anordnung kein beA-Nachrichtenjournal vorgelegt, ohne dies plausibel zu erläutern. Seine vorgelegten Dateien zeigten gerade nicht, wann die Nachricht empfangen wurde. Allerdings bestätige der Dateiauszug den Zugang am 7. Oktober – noch in derselben Minute der Versendung.

Wieso er dieses zweifelsfrei zugegangene Urteil erst mehr als zwei Wochen habe sehen können, habe der Anwalt nicht erläutert. Selbst wenn er persönlich abwesend gewesen wäre, hätte er zumindest bei mehr als einer Woche Abwesenheit gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO für seine Vertretung mit Zustellungsvollmacht sorgen müssen.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer