Zivilrecht - 23. Juli 2024

BGH setzt erstmals Maßstab für Zinsanpassung fest

BRAK, Mitteilung vom 23.07.2024 zu den Urteilen XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23 des BGH vom 09.07.2024

Vor 20 Jahren entschied der BGH, dass Kunden mit Prämiensparverträgen Rückzahlungen erhalten – nun steht der Berechnungsmaßstab fest.

Bereits vor 20 Jahren stellte der BGH fest, dass Zinsklauseln in sog. Prämiensparverträgen, die Sparkassen und Volksbanken vor allem in den 1990-er und 2000-er-Jahren anboten, unwirksam sind. Doch bislang war nicht höchstrichterlich geklärt, wie die Zinsen alternativ nachberechnet werden können. Mit zwei Urteilen hat der BGH diese Unklarheit nun beseitigt und die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Danach soll die Zinsberechnung auf Grundlage der Umlaufrenditen börsennotierter Bundeswertpapiere mit 8 bis 15 Jahren Restlaufzeit erfolgen (Urteile vom 09.07.2024, Az. XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23).

Bei Prämiensparverträgen erhalten Anlegerinnen und Anleger zusätzlich zum variablen Zins eine – meist nach Vertragslaufzeit gestaffelte – Prämie. Je länger regelmäßig Sparbeiträge eingehen, desto höher fällt die Prämie aus. Viele dieser Verträge enthielten dabei Klauseln, die Banken einseitig das Recht einräumten, die zugesicherte Verzinsung nach Belieben zu ändern. Der BGH erklärte das bereits vor 20 Jahren für rechtswidrig, weil die Regelung zur Zinshöhe nicht transparent genug war und das einseitige Änderungsrecht Bankkunden in unzulässiger Weise benachteiligte (u. a. XI ZR 140/03, XI ZR 197/09, XI ZR 52/08). Wie die Zinsen für diese Produkte stattdessen zu berechnen sind, war bisher aber nicht höchstrichterlich geklärt.

Die Verbraucherzentrale Sachsen und der Verbraucherzentrale Bundesverband hatten nun exemplarisch zwei Musterfeststellungsklagen gegen Sparkassen eingereicht. Sie wollten feststellen lassen, dass die Zinsen auf Basis der vergangenen zehn Jahre von Umlaufrenditen inländischer Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von zehn Jahren berechnet werden sollen. Sie forderten zudem gleitende Durchschnittswerte – also die Bildung eines Durchschnitts der Monatswerte der letzten zehn Jahre, um dem langfristigen Charakter der Prämiensparverträge gerecht zu werden. Die Gerichte nutzten bislang hingegen den Zinsdurchschnitt von Bundeswertpapieren mit 8 bis 15 Jahren Restlaufzeit – dies zudem mit dem aktuellen Monatswert und danach nicht als gleitender Durchschnitt.

BGH: Berechnungsmaßstab der Vorinstanzen ist passend

Der BGH hat nun aber beide Revisionen zurückgewiesen und den Berechnungsmaßstab der Vorinstanzen bestätigt. Entscheidend für die Zinsanpassung sind danach die Umlaufrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit 8 bis 15 Jahren Restlaufzeit.

Die von den Verbraucherschützern geforderte Methode der Berechnung nach gleitenden Durchschnittswerten lehnte der BGH aus folgenden Gründen ab: Sparer wären bei Anwendung dieser Methode bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überwiegend an die Zinsentwicklung zurückliegender Jahre gebunden. Sparer würden im Rahmen ihrer Anlageentscheidung den ihnen angebotenen variablen Zins jedoch nur mit dem gegenwärtigen durchschnittlichen Marktzins vergleichen – und nicht mit einem Zins, der aus überwiegend in der Vergangenheit liegenden Zinsen berechnet wird.

Zudem sei ein auf Bundeswertpapiere bezogener Referenzzins passender als die Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen. Letztere spiegelten nicht den „risikolosen“ Marktzins wider, sondern enthielten einen Risikoaufschlag, der im Vergleich zu den Umlaufsrenditen von Bundesanleihen zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führe. Der typische Sparer in Fällen wie diesen zeige allerdings keinerlei Risikobereitschaft. Daher dürfe der Referenzzins im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ebenfalls keinen Risikoaufschlag enthalten. Anders die Umlaufsrenditen von Bundesanleihen: Diese spiegelten die jeweils aktuellen risikolosen Zinsen am Kapitalmarkt wider und enthielten in Ermangelung eines Ausfallrisikos keinen Risikoaufschlag. Zudem kämen die Restlaufzeiten von 8 bis 15 Jahren der typisierten Spardauer bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe nach 15 Jahren hinreichend nahe.

Nur drei Jahre Verjährungsfrist ab Kündigung des Sparvertrags

Die Verbraucherschützer hatten zudem erreichen wollen, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst beginnt, wenn Verbraucher wissen, dass die Klausel in ihrem Vertrag unwirksam ist und zudem die Parameter für die Zinsanpassung feststehen. In vielen Fällen hätte hier also gem. § 199 Abs. 3 die Höchstfrist von zehn Jahren ab Entstehung des Anspruchs gegolten.

Diesem Verständnis erteilte der BGH nun ebenfalls eine Absage. Die gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verbraucher müsse sich gerade nicht auf die von den Verbraucherschützern benannten Punkte beziehen. Denn der Inhaber eines Anspruchs müsse keine rechtlich zutreffenden Schlüsse nachvollziehen, damit der Lauf der Verjährung seines Anspruchs in Gang gesetzt werde.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer