Digitalisierung - 18. September 2024

Digitaler Zivilprozess: Kabinett beschließt „Reallabor“ für Online-Zivilverfahren

BRAK, Mitteilung vom 18.09.2024

Die Regierung hat einen Entwurf verabschiedet, nach dem ab 2025 bei ausgewählten Amtsgerichten rein digitale Zahlungsklagen abgewickelt werden sollen.

Die Regierung hat am 4. September 2024 den vom Bundesjustizministerium (BMJ) vorgelegten Entwurf eines „Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit“ beschlossen. Dieses soll die Grundlage dafür sein, dass ab 2025 in einem „Reallabor“ rein digitale Gerichtsverfahren an bestimmten Amtsgerichten stattfinden können.

Welche Amtsgerichte an dem Test teilnehmen, bestimmen die Länder per Rechtsverordnung. Das Erprobungsgesetz soll es den teilnehmenden Amtsgerichten dann erlauben, zivilrechtliche Zahlungsansprüche vollständig digital abzuwickeln. Dies umfasst unter anderem die Möglichkeit, Verhandlungen ausschließlich online durchzuführen. Dabei sollen Videokonferenzen anstelle von physischen Gerichtsterminen treten. Auch die Aktenführung sowie die Kommunikation zwischen den Parteien und dem Gericht würden dann vollständig elektronisch erfolgen. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den Zugang zum Recht zu erleichtern, die Verfahrensdauer zu verkürzen und die Kosten für die Beteiligten zu senken. Die Pilotprojekte sollen sowohl für Verfahren an Amtsgerichten mit als auch ohne anwaltliche Vertretung gelten.

Zudem sollen diese Pilotprojekte wichtige Erkenntnisse über die Praxistauglichkeit digitaler Verfahren liefern. Für das Reallabor soll die ZPO um ein 12. Buch ergänzt werden, worin die allgemeinen Verfahrensregeln durch Erprobungsregelungen modifiziert und ergänzt werden. Es ist angedacht, dass das Online-Verfahren insgesamt über einen Zeitraum von zehn Jahren erprobt wird.

Neue Regeln für die Erprobungsphase

Die digitale Klage soll entweder „über den herkömmlichen elektronischen Rechtsverkehr“ oder über eine neue Kommunikationsplattform eingereicht werden können. Es ist geplant, dass Informationsangebote und Abfragedialoge, also Eingabemasken, Bürgerinnen und Bürger bei dem Prozess unterstützen. Über die neue Plattform soll dann die verfahrensbezogene Kommunikation zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten laufen. Darüber würden auch weitere Anträge und Erklärungen unmittelbar darüber abgegeben werden können. Auch die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch die Parteien und das Gericht (z. B. bei Vergleichsabsprachen) sowie die Zustellung von Dokumenten über die Plattform sollen ermöglicht werden. Anwältinnen und Anwälte werden über die bestehende Infrastruktur des beA in den Prozess mit einbezogen.

Die Möglichkeiten eines Verfahrens ohne mündliche Verhandlung sowie von Videoverhandlungen sollen erweitert und das Beweisverfahren hierzu erleichtert werden. Die Verkündung eines Urteils im Online-Verfahren würde dann durch dessen digitale Zustellung ersetzt werden. Der Prozessstoff könnte unter Nutzung von elektronischen Dokumenten, Datensätzen und Eingabesystemen digital strukturiert werden. Insbesondere für sogenannte Massenverfahren (z. B. im Bereich der Fluggastrechte) sollen technische Standards und Dateiformate für die Datenübermittlung und eine ressourcenschonende Bearbeitung festgelegt werden.

Die Gerichtsgebühren für das Online-Verfahren sollen im Vergleich zum herkömmlichen Zivilverfahren um ein Drittel gesenkt werden. Die Verfahrensgebühr für das Online-Verfahren hat dann nur noch einen Gebührensatz von 2,0. Damit würde für Rechtsuchende ein finanzieller Anreiz für die Inanspruchnahme des Online-Verfahrens geschaffen.

Wie es weitergeht

Vier und acht Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes sind jeweils Evaluierungen vorgesehen. Diese sollen Aufschluss darüber geben, inwieweit sich die digitalen Verfahren bewährt haben und ob und in welchem Umfang sie für einen flächendeckenden Einsatz in der deutschen Justiz geeignet sind.

Das BMJ sieht in der Digitalisierung des Zivilprozesses einen wichtigen Schritt hin zu einer zeitgemäßen und bürgerfreundlichen Justiz. Die Einführung von Online-Verfahren soll die Justiz effizienter gestalten und den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Recht erleichtern. Das „Erprobungsgesetz Zivilprozess“ ist ein zentraler Bestandteil der Digitalisierungsstrategie des Bundesjustizministeriums und soll maßgeblich dazu beitragen, die deutsche Justiz zukunftsfähig zu machen.

Der Regierungsentwurf wurde nun zur weiteren Beratung an den Deutschen Bundestag weitergeleitet.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer