EU-Recht - 11. Juni 2024

EU-Kommission muss auf zu Unrecht eingenommene Geldbußen Zinsen zahlen

EuGH, Pressemitteilung vom 11.06.2024 zum Urteil C-221/22 P vom 11.06.2024

Die Kommission muss auf vorläufig eingenommene Geldbußen, die sie im Wettbewerbsbereich zu Unrecht verhängt hat, Zinsen zahlen.

Mit diesen Zinsen soll das betreffende Unternehmen für die Vorenthaltung der Nutzung des fraglichen Betrags pauschal entschädigt werden.

Wenn das Gericht oder der Gerichtshof eine von der Kommission gegen ein Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängte Geldbuße für nichtig erklären oder herabsetzen, muss die Kommission nicht nur die vom Unternehmen vorläufig gezahlte Geldbuße ganz oder teilweise zurückerstatten, sondern auch Zinsen für den Zeitraum von der vorläufigen Zahlung dieser Geldbuße bis zu ihrer Rückerstattung zahlen. Es handelt sich dabei nicht um „Verzugszinsen“, sondern um Zinsen, mit denen das Unternehmen für die Vorenthaltung der Nutzung des fraglichen Betrags pauschal entschädigt werden soll.

Am 15. Oktober 2014 verhängte die Europäische Kommission gegen die Deutsche Telekom AG eine Geldbuße von ca. 31 Mio. Euro wegen des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem slowakischen Markt für Breitbandtelekommunikationsdienste.

Die Deutsche Telekom erhob gegen diesen Beschluss Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union, zahlte die Geldbuße am 16. Januar 2015 aber vorläufig. Das Gericht gab dieser Klage teilweise statt und setzte die Geldbuße um ca. 12 Mio. Euro herab1. Daraufhin erstattete die Kommission der Deutschen Telekom diesen Betrag am 19. Februar 2019 zurück. In der Folge forderte die Deutsche Telekom die Kommission auf, ihr Verzugszinsen auf diesen Betrag für den Zeitraum von der Zahlung der Geldbuße bis zu ihrer Erstattung zu zahlen, d. h. für mehr als vier Jahre. Da die Kommission dies ablehnte, erhob die Deutsche Telekom erneut Klage beim Gericht, das die Kommission dazu verurteilte, der Deutschen Telekom einen Betrag von ca. 1,8 Mio. Euro zu zahlen2.

Die Kommission legte gegen dieses Urteil des Gerichts ein Rechtsmittel beim Gerichtshof ein. Mit seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof das Rechtsmittel zurück und bestätigt somit das Urteil des Gerichts.

Wenn eine von der Kommission wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängte Geldbuße von einem Unionsgericht rückwirkend für nichtig erklärt oder herabgesetzt wird, muss die Kommission nämlich nach einer gefestigten Rechtsprechung, deren Änderung nicht veranlasst ist, die vorläufig gezahlte Geldbuße ganz oder teilweise zurückzahlen, und zwar zuzüglich Zinsen für den Zeitraum von der vorläufigen Zahlung der Geldbuße bis zu ihrer Rückerstattung3. Diese Pflicht besteht selbst dann, wenn die Kommission den Betrag dieser Geldbuße angelegt hat und daraus während dieses Zeitraums keine Erträge erwirtschaftet wurden oder diese sogar negativ waren. Es handelt sich dabei nicht um „Verzugszinsen“, sondern um Zinsen, mit denen das Unternehmen für die Vorenthaltung der Nutzung des fraglichen Betrags pauschal entschädigt werden soll.

Außerdem hat das Gericht zutreffend entschieden, dass für die Zinsen, die die Kommission der Deutschen Telekom zu zahlen hat, der Refinanzierungszinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten gilt4.

Fußnoten

1 Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T-827/14 (vgl. auch Pressemitteilung Nr. 196/18).
2 Urteil des Gerichts vom 19. Januar 2022, Deutsche Telekom/Kommission, T-610/19 (vgl. auch Pressemitteilung Nr. 7/22).
3 Der Gerichtshof hebt ganz allgemein hervor, dass Geldbeträge, wenn sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht vereinnahmt wurden (sei es von einer nationalen Behörde oder einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union), zurückerstattet werden müssen, und zwar zuzüglich Zinsen für den gesamten Zeitraum von der Zahlung dieser Geldbeträge bis zu ihrer Rückerstattung.
4 Analog zu Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union.

Quelle: Europäischer Gerichtshof