EU-Recht - 6. September 2024

EuGH: Deutscher Notar hat Beurkundung eines Wohnungsverkaufs eines russischen Unternehmens in Berlin zu Unrecht verweigert

EuGH, Pressemitteilung vom 05.09.2024 zum Urteil C-109/23 [Jemerak]1 vom 05.09.2024

Ein Notar verstößt nicht gegen die Sanktionen gegen Russland, wenn er den Kauf einer Immobilie beurkundet, die einer nicht gelisteten russischen Gesellschaft gehört.

Mit der Beurkundung erteilt der Notar keine Rechtsberatung, sondern handelt unabhängig und unparteiisch im Rahmen einer ihm vom Staat übertragenen Aufgabe.

Ein Notar in Berlin verweigerte die Beurkundung eines Kaufvertrags über eine in Berlin gelegene Wohnung, die einer russischen Gesellschaft gehört. Seiner Ansicht nach kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass diese Beurkundung gegen das Verbot verstoße, in Russland niedergelassenen juristischen Personen Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung zu erbringen. Die Europäische Union hatte dieses allgemeine Verbot im Jahr 2022 eingeführt2, um den Druck auf Russland, seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden, weiter zu verstärken3. Das Landgericht Berlin hat den Gerichtshof dazu befragt.

Der Gerichtshof antwortet, dass die notarielle Beurkundung eines Kaufvertrags über eine Immobilie, die einer in Russland niedergelassenen juristischen Person gehört, nicht unter das Verbot fällt, ihr Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung zu erbringen4.

Mit der Beurkundung nimmt der deutsche Notar nämlich unabhängig und unparteiisch eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe wahr, die ihm vom Staat übertragen wurde. Er scheint über diese Beurkundung hinaus keine Rechtsberatung zur Förderung der spezifischen Interessen der Parteien zu erteilen.

Im Übrigen scheinen auch die Aufgaben, die ein deutscher Notar zur Sicherstellung des Vollzugs eines beurkundeten Kaufvertrags über eine Immobilie wahrnimmt (wie die Auszahlung des Kaufpreises an den Verkäufer, die Löschung der auf dieser Immobilie ruhenden Belastungen und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch), keine Rechtsberatung zu umfassen5. Auch ein Dolmetscher, der im Rahmen der notariellen Beurkundung tätig wird, erteilt keine Rechtsberatung, sodass seine Leistungen ebenfalls nicht unter das in Rede stehende Verbot fallen.

Fußnoten

1 Die vorliegende Rechtssache ist mit einem fiktiven Namen bezeichnet, der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.
2 Dieses Verbot gilt für alle in Russland niedergelassenen juristischen Personen, unabhängig davon, ob sie in die Listen von Personen, gegen die Sanktionen wie das Einfrieren von Geldern verhängt wurden, aufgenommen worden sind.
3 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, in der durch die Verordnung (EU) 2022/1904 des Rates vom 6. Oktober 2022 geänderten Fassung.
4 Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das Landgericht Berlin.
5 Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das Landgericht Berlin.

Quelle: Europäischer Gerichtshof