EU-Recht - 3. Juni 2024

EuGH zu E-Commerce: Verpflichtungen der Anbieter von Online-Diensten

EuGH, Pressemitteilung vom 30.05.2024 zum Urteil C-662/22 (u. a.) vom 30.05.2024

E-Commerce: Ein Mitgliedstaat darf einem Anbieter von Online-Diensten, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegen.

In Italien unterliegen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen wie Airbnb, Expedia, Google, Amazon und Vacation Rentals aufgrund von nationalen Vorschriften bestimmten Verpflichtungen. Diese Vorschriften wurden 2020 und 2021 mit dem erklärten Ziel erlassen, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten zu sorgen1. Wer solche Dienste anbietet, muss sich u. a. in ein von einer Verwaltungsbehörde (AGCOM) geführtes Register eintragen, ihr regelmäßig ein Dokument über seine wirtschaftliche Lage übermitteln, ihr eine Reihe detaillierter Informationen mitteilen und ihr einen finanziellen Beitrag entrichten. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtungen sind Sanktionen vorgesehen. Die oben genannten Gesellschaften wenden sich vor einem italienischen Gericht gegen diese Verpflichtungen, weil die sich daraus ergebende Erhöhung des Verwaltungsaufwands gegen das Unionsrecht2 verstoße. Alle Gesellschaften – mit Ausnahme von Expedia, die in den Vereinigten Staaten niedergelassen ist – berufen sich u. a. auf den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und machen geltend, sie unterlägen in erster Linie dem Rechtsrahmen des Mitgliedstaats ihrer Niederlassung (hier Irland bzw. Luxemburg). Sie vertreten daher die Auffassung, das italienische Recht dürfe ihnen keine zusätzlichen Anforderungen hinsichtlich der Aufnahme der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft auferlegen. In diesem Zusammenhang hat das italienische Gericht beschlossen, sich an den Gerichtshof zu wenden.

Der Gerichtshof befindet, dass das Unionsrecht Maßnahmen wie den von Italien erlassenen entgegensteht. Nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr regelt der Herkunftsmitgliedstaat der Gesellschaft, die Dienste der Informationsgesellschaft anbietet, deren Erbringung. Die Bestimmungsmitgliedstaaten, die an den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gebunden sind, dürfen den freien Verkehr solcher Dienstleistungen, von Ausnahmen abgesehen, nicht beschränken. Somit darf Italien in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Anbietern dieser Dienste keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegen, die für die Erbringung der fraglichen Dienste nicht im Niederlassungsmitgliedstaat, wohl aber in Italien vorgesehen sind. Diese Verpflichtungen fallen nicht unter die von der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zugelassenen Ausnahmen. Sie haben nämlich zum einen vorbehaltlich einer Überprüfung durch das italienische Gericht eine allgemeine und abstrakte Geltung. Zum anderen sind sie nicht erforderlich, um eines der in dieser Richtlinie genannten Ziele des Allgemeininteresses zu schützen. Die Einführung dieser Verpflichtungen ist außerdem nicht mit der von den italienischen Behörden geltend gemachten Absicht zu rechtfertigen, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der genannten Verordnung zu sorgen.

Fußnoten

1 Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten.
2 Gegen die Verordnung 2019/1150 und, mit Ausnahme der Rechtssache C-663/22, Expedia, gegen mehrere Richtlinien, insbesondere gegen die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“).

Quelle: Europäischer Gerichtshof