Zivilrecht - 2. September 2024

Visumspflicht im Urlaubsland nicht bedacht – Reisebüro haftet bei Verletzung der Beratungspflichten

LG Köln, Mitteilung vom 31.07.2024 zum Urteil 17 O 139/23 vom 29.07.2024 (nrkr)

Dem wohlverdienten Urlaub sehnen viele jedes Jahr entgegen. Doch er ist auch oft Grund für Enttäuschungen, die immer wieder Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen. Das gilt erst recht, wenn der Traum vom Urlaub in letzter Minute zerplatzt, weil niemand eine Visumspflicht im Urlaubsland bedacht hat und die Fluglinie die Mitnahme verweigert. Wer kommt dann für den Schaden auf? Bin ich als Reisender alleinverantwortlich, mich kundig zu machen? Das Landgericht Köln hat entschieden, dass ein Reisebüro verpflichtet ist, den Reisenden über die Visumserfordernisse zu informieren.

Der Kläger buchte im Jahr 2022 im Reisebüro „last minute“ für sich und seine Familie eine achttägige Pauschalreise nach Kenia, die bereits zwei Tage später beginnen sollte. Am Abflugtag wurde ihm am Frankfurter Flughafen zu seiner großen Überraschung eröffnet, dass er und seine Mitreisenden ohne ein – seinerzeit noch erforderliches – Visum nicht nach Kenia einreisen könnten. Noch am Flughafen nahm er Kontakt mit dem Reisebüro auf. Der ihm erteilte Vorschlag, unmittelbar online entsprechende Visa zu beantragen, um so doch noch den 90 Minuten später anstehenden Flug antreten zu können, kam für ihn ebenso wenig in Betracht wie eine Umbuchung auf den Folgetag. Unverrichteter Dinge trat die Familie die Heimreise nach Köln an. Im Anschluss forderte der Kläger über seinen Rechtsanwalt vom Reisebüro die Rückzahlung des Reisepreises und der Versicherungskosten von etwas mehr als 5.000 Euro.

Der Kläger machte im hiesigen Prozess geltend, das Reisebüro habe es versäumt, ihn rechtzeitig auf die Visumspflicht hinzuweisen, damit er sich um eine Einholung hätte kümmern können. Zudem sei die Frist zur Erlangung eines Visums – auch eines Expressvisums – bei Buchung der Reise aufgrund der Kürze der Zeit gar nicht mehr einzuhalten gewesen, da die durchschnittliche Bearbeitungszeit bei neun Tagen (bei Eilanträgen bei drei Tagen) gelegen habe.

Das Reisebüro stellt sich auf den Standpunkt, seinen Beratungspflichten nachgekommen zu sein. Der Mitarbeiter habe bei Vornahme der Buchung mündlich auf die Visumspflicht hingewiesen und die Unterlagen des Reiseveranstalters übergeben, in denen ein Hinweis auf die Visumspflicht enthalten sei. Noch am Abflugtag sei der Kläger auf die Expressvisastelle verwiesen worden; zudem habe man ihm eine Umbuchung auf den nächsten Tag angeboten, was der Kläger allerdings abgelehnt habe.

Das Landgericht Köln hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und dem Kläger einen Anspruch auf Rückerstattung des Reisepreises nebst Versicherungskosten zugesprochen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei nicht davon auszugehen, dass das Reisebüro seinen Beratungspflichten hinreichend nachgekommen sei. Die Kammer führt in ihrer Entscheidung zu den rechtlichen Rahmenbedingungen aus, dass nach dem Gesetz nicht nur der Reiseveranstalter, sondern auch das Reisebüro als sog. Reisevermittler verpflichtet sei, den Reisenden ausreichend zu informieren (§ 651v Abs. 1 BGB). Dies beinhalte unter anderem die Information über konkrete Pass- und Visumserfordernisse des Bestimmungslandes sowie über die im Normalfall zu erwartenden ungefähren Fristen für die Erlangung etwaig erforderlicher Visa. Der Reisevermittler müsse die Staatsangehörigkeit der Reiseinteressenten erfragen und entsprechende Erkundigungen einholen. Der Reisende sei nicht gehalten, sich selbst die allgemeinen Hinweise des Ziellandes herauszusuchen. Schließlich trage der Reisevermittler gegenüber dem Reisenden die Beweislast für die Erfüllung seiner Informationspflichten.

Im vorliegenden Fall konnte sich das Gericht auch nach Vernehmung des Mitarbeiters des Reisebüros nicht davon überzeugen, dass dieser den Kläger anlässlich der Buchung auf die gültigen Visumserfordernisse in Kenia und die Fristen zur Erlangung eines Visums hingewiesen hatte. Die anderslautenden Angaben des Zeugen seien nicht glaubhaft gewesen. Eine konkrete Erinnerung an die Belehrung habe der Zeuge nicht mehr gehabt. Zudem habe er selbst erklärt, dass nach seiner Auffassung der Reisende selbst verpflichtet sei, sich über Visumspflichten zu erkundigen. Vor diesem Hintergrund habe er nicht überzeugend darlegen können, warum er gleichwohl den Kläger tatsächlich entsprechend belehrt haben will.

Zudem habe sich der Zeuge – in Unkenntnis seiner Erkundigungspflichten – damit zu verteidigen versucht, dass er bei Buchungen generell nicht wisse, welcher Nationalität der Reiseinteressent angehöre. Auch dieser Umstand spreche für eine unzureichende Belehrung. Dass der Zeuge – wie vom Reisebüro behauptet – dem Kläger bei der Buchung die vom Reiseveranstalter erstellten schriftlichen Hinweise über die Einreise- und Gesundheitsbestimmungen ausgehändigt habe, habe nicht nachgewiesen werden können.

Ergänzend begründet die Kammer ihre Entscheidung damit, dass dem Reisebüro auch nicht der Nachweis gelungen sei, den Kläger ausreichend über die zu beachtenden Fristen für die Erlangung eines Visums belehrt zu haben. Ein konkreter Hinweis sei vorliegend insbesondere aufgrund der Kurzfristigkeit der gebuchten Reise erforderlich gewesen. Selbst nach den vom Reisebüro geltend gemachten Einreise- und Gesundheitsbestimmungen habe die durchschnittliche Bearbeitungszeit für ein elektronisches Visum bei zwei Tagen gelegen. Da die Reise aber schon zwei Tage später habe beginnen sollen, hätte das Reisebüro auf die Dringlichkeit besonders hinweisen müssen. Einen solchen Hinweis habe der Mitarbeiter des Reisebüros aber nicht getätigt. Zudem habe aufgrund der Kürze der Zeit aber ohnehin nicht festgestanden, ob ein Visum überhaupt noch rechtzeitig hätte erlangt werden können.

Ohne Erfolg macht das Reisebüro geltend, der Kläger hätte noch am Abreisetag am Flughafen ein Expressvisum online erlangen können. Einen Beweis hierfür habe das Reisebüro nicht angetreten. Zudem stünde der Vortrag auch in Widerspruch zu den aus den Reiseunterlagen ersichtlichen durchschnittlichen Bearbeitungszeiten für Visa nach Kenia. Auch im Falle einer Umbuchung auf den Folgetag sei die rechtzeitige Erlangung eines Visums ungewiss gewesen, so dass sich der Kläger hierauf nicht habe einlassen müssen.

Im Ergebnis sei der Kläger aufgrund der Verletzung der vertraglichen Aufklärungspflichten so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Aufklärung stehen würde. Insoweit spreche eine Vermutung dafür, dass dieser bei richtiger Aufklärung, insbesondere über die Risiken einer möglicherweise nicht rechtzeitigen Erlangung der erforderlichen Visa, von der Buchung im gewählten Zeitraum Abstand genommen hätte.

Die am 29.07.2024 verkündete Entscheidung zum Az. 17 O 139/23 ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Köln