Zivilrecht - 26. Juli 2024

Vorfahrtsverstoß durch Fahrradfahrer

LG Lübeck, Pressemitteilung vom 25.07.2024 zum Urteil 6 O 8/22 vom 17.01.2024 (rkr)

Einem Fahrradfahrer kann die alleinige Haftung auferlegt werden, wenn er die Vorfahrt missachtet und es dadurch zum Unfall mit einem Auto kommt. Das Landgericht Lübeck verneinte kürzlich Ersatzansprüche eines so verletzten Fahrradfahrers.

Was ist passiert?

Ein Fahrradfahrer fährt entlang einer Landstraße auf einem Radweg, der einen Autobahnzubringer kreuzt. Der Autoverkehr hat an dieser Stelle Vorfahrt. Dem Radfahrer kommt eine Autofahrerin entgegen, die über diesen Zubringer auf die Autobahn fahren möchte. Als sich die beiden Fahrwege kreuzen, kommt es zum Unfall und der Fahrradfahrer wird schwer verletzt.

Vor dem Landgericht Lübeck verlangt der Fahrradfahrer von der Autofahrerin Schmerzensgeld zu einer Quote von 2/3. Er trägt vor, er habe zwar die Vorfahrt missachtet, die Autofahrerin sei aber zu schnell gefahren und habe freie Sicht gehabt. Sie hätte den Unfall also vermeiden können. Die Autofahrerin entgegnet, sie sei von der Sonne geblendet worden und habe den Radfahrer daher erst im letzten Moment gesehen und nicht mehr reagieren können.

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Landgericht Lübeck hat eine Haftung der Autofahrerin verneint. Es hat Zeugen befragt und ein Gutachten eines technischen Sachverständigen eingeholt. Daraus habe sich ergeben, dass die Autofahrerin nicht zu schnell, sondern eher langsam gefahren sei und keine Zeit mehr gehabt habe zu reagieren. Der Vorfahrtsverstoß durch den Fahrradfahrer wiege so schwer, dass die Betriebsgefahr auf Seiten der Autofahrerin verdrängt werde.

Was steht dazu im Gesetz?

Grundsätzlich haftet der Halter eines Autos immer für Schäden, die durch sein Auto entstanden sind – ganz egal, ob er einen „Fehler“ gemacht hat oder nicht (§ 7 StVG). Das ist die sog. Betriebsgefahr. Die dahinterstehende Idee des Gesetzes ist: Ein Auto im Straßenverkehr zu bewegen ist per se gefährlich. Wer das tun will, muss für daraus entstehende Schäden haften (und sich deshalb versichern). Anders kann es aber bei einem schwerwiegenden Fehler des Unfallgegners sein – dann kann die Betriebsgefahr zurücktreten und eine Haftung des Halters ausscheiden.

Das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 17.01.2024 (Az. 6 O 8/22) ist rechtskräftig.

Quelle: Landesportal Schleswig-Holstein, Landgericht Lübeck