Einkommensteuer - 20. August 2024

Totalverlust aus dem Betrieb einer Photovoltaik-Anlage

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 20.08.2024 zum Urteil 10 K 646/22 vom 13.11.2023 (rkr)

  1. Beim Betrieb von Photovoltaik-Anlagen ist für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht ein Prognosezeitraum von 20 Jahren anzusetzen. Ein Restwert ist nach Ablauf der 20 Jahre nicht anzunehmen.
  2. Für die Entnahme des selbst verbrauchten Stroms ist der Teilwert anzusetzen. Der Teilwert des selbst verbrauchten Stroms entspricht den für seine Erzeugung aufgewandten Kosten.

Sachverhalt

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2018 und 2019 gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer im Jahr errichteten Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) auf dem Dach seines Zweifamilienhauses. Die Solarmodule der PV-Anlage haben eine Leistung von 9,900 kWp. Der erzeugte Strom wird zum Teil im gesamten Haus selbst verbraucht, zum Teil ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Als Einspeisevergütung werden 0,1079 Euro/kWh gezahlt. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 886 kWh eingespeist. Die Einspeisung im Jahr 2020 betrug 2.875 kWh. Der tatsächliche Eigenverbrauch und die tatsächliche Gesamtproduktion wurden nicht über einen Zähler ermittelt.

In seiner Einkommensteuererklärung 2018 machte der Kläger einen Verlust aus dem Betrieb der PV-Anlage durch Bildung eines Investitionsabzugsbetrags geltend. Er erzielte auch 2019 einen Verlust aus dem Betrieb der PV-Anlage. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres 2020 erstellte das beklagte Finanzamt eine Totalgewinnprognose bezüglich der PV-Anlage. Es ermittelte über eine Gesamtnutzungsdauer von 20 Jahren einen Totalverlust. Daher änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2018 und 2019 und berücksichtigte die bislang angesetzten Verluste aus dem Betrieb der PV-Anlage nicht mehr.

Das Finanzgericht entschied aus den folgenden Gründen, dass das Finanzamt die geltend gemachten Verluste aus Gewerbebetrieb (Betrieb einer Photovoltaik-Anlage) mangels Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers zutreffend nicht anerkannt hat:

Zweistufige Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht

Die Gewinnerzielungsabsicht ist zweistufig zu prüfen. Sie besteht aus einer Ergebnisprognose und der Prüfung der einkommensteuerrechtlichen Relevanz der Tätigkeit. Bei einer positiven Ergebnisprognose ist die Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen; bei einer negativen Prognose ist weiter zu prüfen, welche Gründe dafür verantwortlich sind.

Totalverlust bei einem Prognosezeitraum von 20 Jahren

Als Prognosezeitraum sind vorliegend aufgrund der Gesamtumstände nach Auffassung des Senats 20 Jahre zugrunde zu legen. Dies ergibt sich daraus, dass die PV-Anlage als wesentliche Grundlage des klägerischen Gewerbebetriebs eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 20 Jahren hat. Zwar sind die Tabellen zur Bestimmung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Anlagegütern (sog. AfA-Tabellen) für die Gerichte nicht bindend. Dennoch haben sie die Vermutung der Richtigkeit für sich. Sie berücksichtigen nämlich sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Abnutzung eines unter üblichen Bedingungen arbeitenden Betriebs. Demzufolge ist davon auszugehen, dass die PV-Anlage unter besonderer Berücksichtigung der betriebstypischen Beanspruchung lediglich eine objektive Nutzbarkeit von 20 Jahren aufweist. Eine längere Nutzbarkeit – wie vom Kläger behauptet 30 bis 40 Jahre – ist rein spekulativ und stützt sich nicht auf derzeit gesicherte Erkenntnisse.

In einem Prognosezeitraum von 20 Jahren ergibt sich nach der zutreffenden Berechnung des Finanzamts ein Totalverlust. Bei seiner Schätzung der Betriebseinnahmen ging das Finanzamt bei einer PV-Anlage mit 9.900 kWh/kWp in nicht zu beanstandender Weise von einer jährlichen Stromerzeugung von 9.900 kWh aus. Wird die erzeugte Strommenge vom Kleinanlagenbetreiber nicht nachgewiesen, kann sie aus Vereinfachungsgründen unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Volllaststundenzahl von 1.000 kWh/kWp geschätzt werden. Für den Prognosezeitraum von 20 Jahren ergibt sich hieraus eine Stromerzeugung von insgesamt 198.000 kWh. Des Weiteren hat das Finanzamt in nicht zu beanstandender Weise auf Basis der Werte des Jahres 2020 einen Anteil von rd. 29,04 % (57.500 kWh) für die Einspeisung mit 0,1079 Euro/kWh und einen Anteil von rd. 70,96 % für den Eigenverbrauch (140.500 kWh) zugrunde gelegt.

Entnahme des selbst verbrauchten Stroms

Hinsichtlich des selbst verbrauchten Stroms (140.500 kWh) kommt es zu einer als Betriebseinnahme zu erfassenden Entnahme gemäß § 4 Abs. 1 Sätze1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Die mit der PV-Anlage erzeugte und in den Verkehr gebrachte elektrische Energie ist ein (bilanzierungsfähiges) Wirtschaftsgut. Der private Verbrauch ist daher keine Nutzungs-, sondern eine Sachentnahme. Als Bewertungsmaßstab für die Entnahme ist damit nach § 6 Abs. 7 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG der Teilwert zugrunde zu.

Ermittlung des Teilwerts des selbst verbrauchten Stroms

Der Teilwert des selbst verbrauchten Stroms entspricht den für seine Erzeugung aufgewandten Kosten. Der vom Kläger produzierte Strom gehört zum Umlaufvermögen und nicht zum Anlagevermögen des Betriebs. Bei selbst hergestellten Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens (Eigenerzeugnissen) werden die Wiederbeschaffungskosten als Reproduktions- oder Wiederherstellungskosten bezeichnet. Der Teilwert von zum Absatz bestimmten Waren und sonstigen Vorräten hängt aber nicht nur von ihren Herstellungs-(Reproduktions-)kosten, sondern auch von ihrem voraussichtlichen Veräußerungserlös ab. Deckt der voraussichtliche Veräußerungserlös nicht mehr die Selbstkosten der Waren zuzüglich eines durchschnittlichen Unternehmergewinns, so sind die Herstellungskosten um den Fehlbetrag zu mindern. Der Teilwert liegt daher unter den Herstellungs-(Reproduktions-) kosten, wenn die Erzeugnisse nach den Marktverhältnissen nicht zu einem Preis veräußert werden könnten, der diesen Kosten entspricht, weil sich z. B. für Erzeugnisse gleicher Art und Güte ein niedrigerer Marktpreis gebildet hat.

Für die Ermittlung des Teilwerts eines Wirtschaftsguts stellen somit die betriebsindividuellen Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten regelmäßig die Wertobergrenze und der Einzelveräußerungspreis, gegebenenfalls vermindert um etwaige Veräußerungskosten und einen Unternehmergewinn, die Wertuntergrenze dar, da es einer Erfahrungstatsache entspricht, dass ein Erwerber des Betriebs für das einzelne Wirtschaftsgut höchstens die Wiederbeschaffungskosten und mindestens den Einzelveräußerungspreis bezahlen würde.

Zugunsten des Klägers ist das Finanzamt in seiner Totalgewinnprognose von einem Teilwert in Höhe der Reproduktionskosten ausgegangen, die er aus den Anschaffungskosten der PV-Anlage und den Betriebskosten verteilt auf die in 20 Jahren zu erwartende Stromproduktion korrekt berechnet hat. Hierbei hat er neben den Anschaffungskosten der Anlage auch den bis 2034 zu erbringenden Zinsaufwand sowie jährliche Betriebskosten berücksichtigt, die er aus der Einnahme-Überschuss-Rechnung 2020 entnommen hat. Dass die Kosten für den Batteriespeicher mit Wechselrichter bei der Berechnung zu Recht in den Gesamtkosten der Anlage enthalten sind, weil beides untrennbar zur PV-Anlage gehört, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Da die Wiederherstellungskosten bei der Bestimmung des Teilwerts der selbst verbrauchten Elektroenergie die Wertobergrenze bilden, kann schon aus rechtlichen Gründen der von der Finanzverwaltung in bestimmten Fällen aus Vereinfachungsgründen akzeptierte Pauschalwert von 0,20 Euro/kWh nicht – wie der Kläger meint – zur Anwendung kommen, um die Betriebseinnahmen rechnerisch zu erhöhen.

Keine Berücksichtigung eines Restwerts als Einnahme

Ein Restwert der Anlage nach Ablauf der 20jährigen Nutzungsdauer ist nach Auffassung des Senats letztlich nicht als Einnahme zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung des Klägers (spätestens) im Jahr 2018 war kaum vorhersehbar, welche Faktoren in welchem Umfang zu einem nennenswerten Restwert der Anlage beitragen könnten bzw. werden. Die diesbezügliche Unsicherheit besteht fort, so dass eine Ermittlung bzw. Schätzung des Restwerts auf ausreichend gesicherter Grundlage nicht möglich erscheint. Jedenfalls ergibt sich vor diesem Hintergrund kein Restwert, der im Streitfall zu einer positiven Ergebnisprognose führen könnte.

Der Restwert bildet letztlich die über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 20 Jahren hinausgehende Nutzung der Anlage ab, entweder in Form einer fortlaufenden Stromproduktion oder durch die anderweitige Verwertung der Anlage. Zwar sprechen zunächst weder technische noch rechtliche Gesichtspunkte gegen die Annahme, die PV-Anlage könne auch nach Ablauf von 20 Jahren weiter betrieben werden. Eine Abbruchverpflichtung besteht nicht. Die Möglichkeit der Einspeisung und die Höhe der Einspeisevergütung sind nach dem EEG jedoch auf 20 Jahre begrenzt. Zwar sind nach EEG Netzbetreiber bis 2027 verpflichtet, auch den Strom von über 20 Jahre alten Anlagen weiterhin abzunehmen. Hierfür gibt es jedoch keine garantierte Vergütung mehr, sondern der Anlagenbetreiber muss den erzeugten Strom zum jeweiligen Börsenstrompreis absetzen. Der Börsenstrompreis betrug im Jahr 2018 – also im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung des Klägers – in der Grundlast durchschnittlich lediglich 0,0445 Euro/kWh, im Jahr 2019 – bei Installation der PV-Anlage – durchschnittlich nur 0,0337 Euro/kWh.

Bei der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich vor diesem Hintergrund ein Restwert der PV-Anlage ergibt, ist zu berücksichtigen, dass die Prognose aus der Sicht des Klägers zum Zeitpunkt seiner Investitionsentscheidung, also spätestens im Jahr 2018, anzustellen ist. Zukünftig eintretende Faktoren sind in die Beurteilung nur einzubeziehen, wenn sie bei objektiver Betrachtung vorhersehbar waren. Ob der Kläger bei Bestellung der Anlage davon ausgehen oder sogar darauf vertrauen konnte, dass der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für eine Abgabe des produzierten Stroms an einen Netzbetreiber auch nach Ablauf der 20 Jahre schaffen wird, ist bereits zweifelhaft. Diese Unsicherheit in der ex-ante Betrachtung setzt sich aktuell der tatsächlich gültigen Regelung fort, da diese nur bis 2027 befristet ist.

Maßgeblich sind die konkreten betrieblichen Umstände. Entscheidende Bedeutung kommt daher dem Umstand zu, dass der Kläger die Anlage für den überwiegenden Eigenverbrauch des produzierten Stroms konzipiert hat. Im bisherigen Betriebszeitraum lag der Eigenverbrauch bei etwa 70 % des produzierten Stroms; der Kläger geht in seiner Totalgewinnprognose von 75 % aus. Der Verkauf des Stroms an einen Netzbetreiber stand offensichtlich von vornherein nicht im Vordergrund der Betätigung. Angesichts des für den Prognosezeitraum von 20 Jahren bei einer garantierten Einspeisevergütung von 0,1079 Euro/kWh prognostizierten Ertrags liegt auf der Hand, dass der bei einem Weiterbetrieb zu erwartende Ertrag durch den Stromverkauf dauerhaft kaum ins Gewicht fällt. Bei der Schätzung von zukünftigen Einnahmen durch den Eigenverbrauch ist zu berücksichtigen, dass die Anschaffungskosten der PV-Anlage nach Ablauf von 20 Jahren abgeschrieben sind. Für die Bewertung der Reproduktionskosten kommt es also zunächst nur noch auf die laufenden Betriebskosten an. Zugleich bildet der Abschreibungszeitraum von 20 Jahren die Nutzungsdauer der PV-Anlage in technischer Hinsicht ab. Für den Weiterbetrieb der Anlage muss daher mit erhöhten Investitionskosten für Reparaturen sowie den Austausch und die Erneuerung von Anlagenteilen, beispielsweise einzelner Module, Wechselrichter und Batterie, gerechnet werden. Dies mag einerseits zu einem (gegenüber der abgeschriebenen Anlage) höheren Teilwert für die eigenverbrauchte Kilowattstunde Strom führen, andererseits mindern diese Investitionskosten den zu erwartenden Ertrag erheblich. Per Saldo dürften die Ertragsaussichten bei einem fortgesetzten Betrieb damit wesentlich geringer sein als im Prognosezeitraum. Bei Abwägung aller vorgenannten Umstände hält es der Senat für ausgeschlossen, dass im Rahmen der Totalgewinnprognose ein Restwert zu schätzen ist, der im Ergebnis zu einem Totalgewinn führen würde.

Keine steuerlichen Gründe für verlustbringende Tätigkeit

Die Prüfung der einkommensteuerlichen Relevanz aufgrund der negativen Gewinnprognose führt zur Versagung der Gewinnerzielungsabsicht beim Kläger. Ist die Prognose – wie im Streitfall – negativ, erlaubt dies jedoch nicht ohne Weiteres den Schluss, dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigte. Dies ist vielmehr nur dann widerlegbar gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkünftesphäre zu dienen (sog. Hobbybereich). Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden.

Bei dem Betrieb einer PV-Anlage spricht nach Auffassung des Senats der Beweis des ersten Anscheins zwar zunächst dafür, dass sie in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Nach der Lebenserfahrung ist ein solcher Betrieb typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen des Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen wie eine Tätigkeit im Hobbybereich. Dieser Anscheinsbeweis wird aber bereits dadurch erschüttert, dass nach der Totalgewinnprognose innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren kein Gewinn erzielt werden kann. Dies indiziert das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht.

Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze hat der Kläger die Verluste aus der PV-Anlage im Hinblick darauf hingenommen, dass der selbst erzeugte Strom finanziell deutlich günstiger ist als der von einem Stromanbieter bezogene Strom. Der Kläger hat im Erörterungstermin ausdrücklich ausgeführt, er habe einen recht hohen Stromverbrauch und sich über PV-Anlagen informiert, um Geld zu sparen. Die Firma B GmbH habe ihm ein sehr günstiges Angebot unterbreitet und ihm vorgerechnet, wieviel er mit der PV-Anlage sparen könne. Diese Rechnungen seien unter dem Aspekt des Eigenverbrauchs vorgenommen worden, eine Prüfung bezüglich erzielbarer steuerlicher Gewinne sei nicht erfolgt (…). Diese Erwägungen des Klägers sind persönliche und außerhalb der steuerrechtlich relevanten Einkünftesphäre liegende Gründe für den Betrieb der PV-Anlage.

Keine Revisionszulassung

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Überdies sind die im Streitfall angewandten Rechtsgrundsätze im Hinblick auf die Regelung des § 3 Nr. 72 EStG für aktuelle Fälle der Inbetriebnahme von PV-Anlagen auf eigengenutzten Wohnhäusern (mit Selbstverbrauch) nicht mehr maßgeblich.

Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg, Newsletter 1/2024