Innovationsmotor Mittelstand - 25. Juli 2024

KI als Erfolgsfaktor

Die Integration von künstlicher Intelligenz eröffnet eine Perspektive, die nicht nur Veränderungen, sondern auch signifikante Vorteile für den Berufsstand mit sich bringen kann.

Auch Deutschland schwimmt auf der KI-Welle mit. Die Investitionen und Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz (KI) in Deutschland sind umfassend und zielführend ausgerichtet. Mit der KI-Strategie der Bundesregierung, die eine Förderung von rund 5 Milliarden Euro bis 2025 vorsieht, probiert Deutschland, sich als ein führendes Zentrum für ethische KI und fortschrittliche Automatisierungstechnologien zu positionieren. Diese Strategie ist besonders relevant für den Mittelstand, der die Möglichkeit erhält, neueste KI-Technologien zur Optimierung von Produktions- und Ablaufprozessen, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Compliance einzusetzen. Die starke Forschungsinfrastruktur, unterstützt durch Institutionen wie die Fraunhofer-Gesellschaft und die Max-Planck-Gesellschaft, fördert zudem die Entwicklung von Spitzenforschung zu KI.

Deutschland im KI-Wettbewerb

Im globalen Kontext sieht sich Deutschland zunehmender Konkurrenz von Ländern wie Indien und Südkorea gegenüber, die ebenfalls stark in KI-Innovationen investieren. Die zukünftige Herausforderung für Deutschland wird darin bestehen, nicht nur in der technologischen Entwicklung, sondern auch in der ethischen Anwendung von KI führend zu bleiben. Dies erfordert kontinuierliche Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierung, Wissenschaft und Wirtschaft.

EU AI Act

Auch durch regulatorische Anforderungen können ethische und technologische Dilemmata rund um KI eingedämmt werden. Die Implementierung von Technologie kann dabei nicht in einem rechtsfreien Raum stattfinden. Der EU AI Act, die erste Rechtsvorschrift, die sich mit den Risiken der KI weltweit befasst, wurde im März 2024 nach der Abstimmung im Europäischen Parlament formal verabschiedet und tritt mit der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. Die meisten Bestimmungen werden nach einer Frist von zwei Jahren wirksam. Der EU AI Act soll laut EU „sicherstellen, dass KI-Systeme, die auf den europäischen Markt gebracht und in der EU eingesetzt werden, sicher [sind] und die Grundrechte und Werte der EU respektieren“ (EU, 2023). Der EU AI Act betrifft alle Sektoren und Unternehmen (außer ein paar wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel militärischen Einrichtungen oder Forschungsinstituten), die mit KI- Systemen arbeiten, die „in der EU in Verkehr gebracht, in Betrieb genommen oder verwendet werden“ (EU, 2023).

Wandel der Berufe

In einer Zeit, in der technologische Innovationen wie KI eine immer größere Rolle in verschiedenen Berufsfeldern spielen, sind Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte gleichermaßen von den Auswirkungen dieser Technologie betroffen. Insgesamt bietet die Integration von KI-Technologien in der Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Rechtsberatung erhebliche Mehrwerte, die dazu beitragen können, die Effizienz zu steigern, die Analyse und Entscheidungsfindung zu verbessern und die Kundenbetreuung zu personalisieren. Während einige die potenziellen Vorteile von KI für Effizienz und Genauigkeit hervorheben, gibt es auch Bedenken hinsichtlich des möglichen Verlusts von Arbeitsplätzen und der Veränderung der traditionellen Beratungslandschaft. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Mehrwerte Technologie liefert, um zukunftsfähiger zu sein und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. In jedem Fall ist es für Fachkräfte in diesen Branchen wichtig, sich kontinuierlich über neue Technologien zu informieren und ihre Fähigkeiten entsprechend anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die sich entwickelnden Anforderungen ihrer Kundinnen und Kunden zu erfüllen.

Effiziente Lösungen für Steuer-Compliance

Was sowohl Organisationen als auch Regulatoren vor erhebliche Herausforderungen stellt, ist zudem die Tatsache, dass die Compliance-Anforderungen in Unternehmen stetig steigen. Unternehmen sehen sich mit einem Mangel an Ressourcen, einer Flut von Neuerungen sowie der Notwendigkeit konfrontiert, Prüfungssicherheit zu gewährleisten und Haftungsrisiken zu minimieren, während sie gleichzeitig unter erheblichem Kostendruck stehen. Überraschenderweise steht ein effizienteres Compliance-Management nicht an oberster Stelle der Agenda, wenn es darum geht, Unternehmensprozesse zu optimieren – ein im Grunde genommen ungenutztes Potenzial. Auf der Seite der Regulatoren und Behörden besteht die Herausforderung darin, mit den eigenen Regulationen Schritt zu halten und gleichzeitig eine technisch zeitgemäße und manipulationssichere Infrastruktur zu gewährleisten.
Obwohl zahlreiche Tools zur Verfügung stehen, setzen diese selten an der kritischsten Stelle an: der Qualität des Dateninputs. Ein mangelhafter Input führt unweigerlich zu fehlerhaftem Output. Das unterstreicht die Notwendigkeit der Qualität der Eingangsdaten für die Effektivität der Compliance-Tools.

Vereinfachung komplexer Tarifierung

In einem Umfeld, in dem die Anforderungen an die steuerliche Compliance zunehmend komplexer werden, können Unternehmen, die international agieren, von der Automatisierung von Umsatzsteuer- und Zollprozessen profitieren. Die Automatisierung ermöglicht es, in Echtzeit die für die EU-27, Großbritannien und Schweiz geltenden Steuersätze auf Artikelebene zu ermitteln, und berücksichtigt dabei auch länderspezifische Ermäßigungen und Ausnahmen. Produkten werden dafür im ersten Schritt auf Basis des Zolltarifs gültige TARIC-Codes (beziehungsweise UKGT, TARES) zugewiesen. Durch die KI-unterstützte Automatisierung werden bisher manuell-intensive Prozesse wie die Zolltarifierung erheblich beschleunigt und vereinfacht. Die technische Umsetzung beruht darauf, eine genaue und zuverlässige Datenbasis zu schaffen, die ständig aktualisiert wird, um Änderungen in den steuerrechtlichen Bestimmungen widerzuspiegeln. Diese kontinuierliche Aktualisierung ist entscheidend, da sie Unternehmen die Sicherheit gibt, stets den neuesten gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen.

KI und Expertenwissen

Die Tarifierung von Produkten ist ein komplexer Prozess, der Fachwissen und Aktualität erfordert, besonders in einem vielschichtigen, internationalen Handelskontext. Dabei kann KI helfen, diesen Prozess zu optimieren. Ein entscheidender Aspekt des Systems ist die Integration eines Teams aus Inhouse-Tarifierungsexperten, die zusammen mit der KI die Genauigkeit und Verlässlichkeit der Daten gewährleisten. Diese Kombination aus fortschrittlicher Technologie und menschlichem Fachwissen ermöglicht eine präzise Analyse der Produktinformationen und die automatische Zuweisung der zutreffenden Zolltarif-Codes. Der Einsatz von KI unterstützt dabei, große Datenmengen effizient zu verarbeiten. Gleichzeitig sorgt das Expertenteam dafür, dass die finalen Zuweisungen den aktuellen gesetzlichen Anforderungen entsprechen und etwaige Unstimmigkeiten, die die KI nicht eigenständig lösen kann, geklärt werden.

Zukunftsfähig sein und bleiben

KI gehört zu den wichtigsten Treibern des Wandels von Arbeit. Zukunftsfähig zu bleiben und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, das sind auch für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte neue Aufgaben, die durch KI (mit-)bewältigt werden können. Es sollte jedoch nicht nur auf die technologischen Neuerungen und technische Machbarkeit geblickt, sondern auch die (zukünftige) Beziehung zwischen Steuerberatern und ihren Mandanten betrachtet werden.

Veränderte Mandantenbeziehung

Die Einführung KI-gestützter Tools und Software-Lösungen in der Steuerberatung hat zweifellos Auswirkungen auf die Rolle der Mandanten. Auf den ersten Blick könnte man befürchten, dass KI-Technologien dazu führen könnten, dass Steuerberater ihre Rolle bei der Steuerplanung und -vorbereitung verlieren. Allerdings bieten diese Technologien eine Befreiung von komplexen Aufgaben, indem sie die Effizienz steigern und die Genauigkeit verbessern. Durch den Einsatz von KI-basierten Buchhaltungs-Software-Lösungen können zeitaufwendige und repetitive Aufgaben automatisiert werden. Dies ermöglicht es dem Berufsstand, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren, die menschliches Urteilsvermögen und Fachwissen erfordern, wie etwa die Interpretation der finanziellen Daten und die Beratung der Mandanten. Darüber hinaus bieten KI-gestützte Tools eine verbesserte Analyse und Entscheidungsfindung, indem sie große Datenmengen schnell verarbeiten und Muster sowie Trends erkennen können. Dies ermöglicht es zum Beispiel Steuerberatern, fundiertere und präzisere Beratungsdienstleistungen anzubieten, die ihren Mandanten einen echten Mehrwert bieten. Die Zusammenarbeit mit dem Mandanten über digitale Software- Lösungen stellt generell eine Arbeitserleichterung dar. Vereinheitlichte Prozessabläufe, die nach klar definierten Regeln erfolgen, vermeiden Rückfragen, sparen Arbeitszeit und verbessern insgesamt den Kontakt mit dem Mandanten. So schafft KI-basierte Software, die von Kanzlei und Mandant gemeinsam genutzt wird, Transparenz – eine wichtige Basis für den Aufbau einer vertrauensvollen Steuerberater-Mandanten-Beziehung. Für den Steuerberater bedeutet das KI-basierte Prozessmanagement zugleich eine Produktivitätssteigerung, da Prozesse ausgelagert werden. Der Mandant lädt selbstständig Dokumente hoch und nutzt standardisierte Abläufe. Ebenso ermöglicht KI, dass Prozesse vereinheitlicht werden, sodass die Kanzleimitarbeiter nach den gleichen Grundsätzen arbeiten. Dies dient nicht nur der Qualitätssicherung in der Steuerberatungskanzlei, sondern erspart auch Kontrollen.

Fazit

Die Integration von KI in den Berufsstand bietet erhebliche Chancen, jedoch erfordert sie auch eine Balance zwischen technologischen Innovationen und menschlichem Fachwissen. Es ist entscheidend, dass Fachkräfte kontinuierlich ihre Fähigkeiten erweitern und sich an die sich wandelnden Anforderungen anpassen. Nur so können sie die Potenziale der KI vollständig nutzen und gleichzeitig die Qualität und Vertrauenswürdigkeit ihrer Dienstleistungen aufrechterhalten.

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Zur Autorin

VJ
Dr. Vanessa Just

Gründerin von juS.TECH, einem KI-Start-up mit Fokus auf Nachhaltigkeit. Sie ist Unternehmerin und Expertin im Bereich Business Administration, Wirtschaftsingenieurwesen und künstliche Intelligenz. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Vorstands des KI Bundesverbands.

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