Effiziente Anomalieerkennung - 25. Juli 2024

KI unterstützt die Wirtschaftsprüfung

Für Wirtschaftsprüfer spielt die Identifizierung von Unrichtigkeiten oder Auffälligkeiten in den Finanzbuchhaltungsdaten zur Risikobeurteilung eine essenzielle Rolle. Die Erkennung von Anomalien in Unternehmensdaten ist ein zentrales Element in der Wirtschaftsprüfung. Durch die zunehmenden digitalen Daten und die damit entstehenden Datenmengen stoßen traditionelle Methoden jedoch an ihre Grenzen, wenn es darum geht, Auffälligkeiten und deren Ursachen auf die Schliche zu kommen.

Um große Datenmengen effizient bewältigen zu können, ist der Einsatz von intelligenten Algorithmen durch künstliche Intelligenz (KI) notwendig. Konkret sind es sogenannte Machine-Learning-Verfahren, die die Antwort auf diese Anforderung liefern. Diese unterstützen heute zunehmend dabei, schwer identifizierbare Ausreißer zu erkennen.

Der Anomalie automatisiert auf der Spur

Anomalien in Buchungsdaten beziehen sich auf ungewöhnliche Transaktionen oder Muster, die von den üblichen Buchführungsmethoden abweichen. Das sind zum Beispiel Buchungen mit ungewöhnlich hohen oder niedrigen Beträgen, unregelmäßige Zeiträume von Buchungen oder fehlende und unvollständige Buchungen. Eine Datenprüfung, um solche Ausreißer aufzuspüren, ist in der Wirtschaftsprüfung nichts Neues und wird regelmäßig durchgeführt. Auch in steuerberatender Funktion ist eine Datenanalyse sinnvoll – sei es bei der Vorbereitung auf eine Betriebsprüfung als sogenannte Abwehrberatung oder aber auch ganz allgemein zur Qualitätssicherung der Buchhaltung.
Klassische Werkzeuge dafür sind etwa DATEV Datenprüfung, IDEA oder ACL. Diese Programme können unter anderem bereits Lücken in den Rechnungsnummern oder doppelte Rechnungen entdecken und arbeiten auch mit arrondierenden Daten wie Wetterinformationen, AFA-Tabellen, Richtsätzen oder Kalenderdaten. Dabei sind bestimmte, bewusst festgelegte Regeln hinterlegt, wie beispielsweise die Ausreißererkennung nach der Benford-Verteilung oder nach dem Chi-Quadrat-Test. Nachteil bei solchen Regeln: Sie sind starr, betrachten die Daten eindimensional und können Wechselwirkungen nur bedingt abbilden.

Effizienter prüfen mit KI

Um die Datenprüfung auf eine neue Ebene zu heben und größere Datenmengen schneller, effizienter und treffsicherer durchforsten zu können, hat DATEV nun eine KI-gestützte Anomalieerkennung entwickelt. Sie hilft Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfern effektiv bei der Identifizierung von möglichen Auffälligkeiten in den Kontenbereichen der Umsatzerlöse und der Aufwendungen. Diese können auch angepasst werden. Die hierfür verwendeten Verfahren aus dem Machine Learning machen es möglich, einen Datenbestand gesamtheitlich auf Auffälligkeiten zu analysieren. Bei dem neuen Analyseverfahren handelt es sich um einen Cloud-Service, der im Hybrid-Szenario mit dem bewährten Programm DATEV Datenprüfung genutzt werden kann. Die Daten werden dafür in die DATEV-Cloud geladen, dort mittels KI geprüft und das Ergebnis wird in die Anwendung Datenprüfung zurückgespielt. Aufrufbar ist die Anomalieerkennung direkt aus dem Programm heraus über die neue Registerkarte KI-gestützte Analysen.
Im gewählten Datenbestand identifiziert die Anomalieerkennung bestimmte Muster, die nicht dem erwarteten Verhalten entsprechen oder nicht gut zum Rest des Datensatzes passen. Anomalien sind dabei vielseitig: Sie können auf Fehler des Datenbestands, der Datenerfassung sowie der Datenverarbeitung oder auch auf ungewöhnliche Ereignisse oder betrügerische Aktivitäten hinweisen.
Zum klassischen Betrachtungsgegenstand im Jahresabschlussbestand gehören alle Umsatzerlöskonten und alle Gegenkonten, wobei der Fokus in der Regel auf den Debitorenkonten liegt. Das Analyseziel ist es, Anomalien in Einzelbuchungen pro Debitor aufzudecken. Bei der Prüfung Anomalieerkennung Gegenkonto werden die Buchungen jedes einzelnen zugeordneten Kontos mit den jeweiligen Gegenkonten betrachtet. Dabei werden unter anderem die Betragshöhe, glatte Beträge, Steuersätze sowie Zahlungs- und Ausgleichszeiträume unter die Lupe genommen. Insgesamt acht Kriterien werden von den verwendeten KI-Algorithmen immer gemeinsam im Kontext betrachtet, um mögliche Ausreißer zu erkennen.

Acht Experten im Verbund

Waren bisherige Prüfwerkzeuge starre, regelbasierte Systeme, so macht der Einsatz von KI einen anpassungsfähigen und flexiblen Ansatz möglich. Für die Anwender bedeutet das konkret, dass die KI Hinweise darauf gibt, in welchen Kontenbereichen Auffälligkeiten vorliegen und wo sie für eine detaillierte Analyse genauer hinschauen müssen. Dazu kommen innerhalb der Anomalieerkennung von DATEV insgesamt acht bewährte Methoden zum Einsatz, die die zugeordneten Buchungen untersuchen. So stehen gewissermaßen acht Experten bereit, die sich aus ihrem jeweiligen Blickwinkel ein Urteil bilden.
Je mehr der hinterlegten KI-Methoden einen Warnimpuls geben, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei den herausgefilterten Datensätzen wirklich um eine Anomalie handelt. KI-basiert findet dann im System so etwas wie ein Mehrheitsentscheid statt, um festzulegen, ob die Buchung als Anomalie ausgewiesen wird oder nicht. Dabei entscheidet die KI nicht allein aufgrund vorab definierter Regeln, wann eine Auffälligkeit vorliegt, sondern bezieht die Datenmenge in die Betrachtung mit ein.
Um die Anomalieerkennung unabhängig von großen Trainingsdatenmengen oder Datenmengen zum Antrainieren zu machen, wendet DATEV einen sogenannten unüberwachten Lernansatz an. Dabei erkennt der Algorithmus selbstständig und ohne menschliche Aufsicht Muster und Zusammenhänge in den Daten eines Mandantenbestands. Dafür stehen ihm aktuell die bereits erwähnten acht Algorithmen zur Verfügung, die den Datenbestand jeweils nach einem bestimmten Verfahren auf Anomalien hin untersuchen. Ein im übergeordneten System festgelegter Schwellenwert definiert dann, in welchen Konstellationen ein Sachverhalt als Anomalie gekennzeichnet und der Anwender darauf hingewiesen wird.

Transparente Entscheidungen

Wird eine Anomalie erkannt, lässt sich in der Beschreibung nachvollziehen, welche Eigenschaft und Gewichtung zu dieser Kategorisierung geführt hat. Den Nutzern ist also jederzeit ersichtlich, auf welcher Basis die KI zu ihrer Entscheidung gekommen ist. Sehr vorteilhaft: Es ist nicht länger nötig, für die Prüfungen eine Vorauswahl zu treffen, ob die Daten an sich in irgendeiner Form auffällig sein könnten – beispielsweise wegen besonders hoher Beträge, ungewöhnlicher Steuersätze oder sonstiger Parameter. Der Nutzer bekommt dank des KI-Einsatzes aktiv und datengestützt Hinweise, wo Probleme bestehen könnten, und kann dann – etwa in einem identifizierten Kontenbereich – in die detaillierte Analyse einsteigen.

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finden Sie unter go.datev.de/ki-wp
Präsenzseminar (Workshop) „Fachtage Wirtschaftsprüfung“

Zum Autor

Benedikt Leder

Redaktion DATEV magazin

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