KI in der Steuerberatung - 25. Juli 2024

Mit Sorgfalt agieren

Trotz aller Euphorie über den Einsatz von KI ist eine verantwortungsvolle Nutzung der neuen Technologie geboten, um nicht Effizienzsteigerungen gegen neue, schwer vorhersehbare Risiken, etwa im Urheber- oder Datenschutzrecht, einzutauschen.

Die digitale Transformation im Steuerbereich erreicht eine neue Dimension: Künstliche Intelligenz (KI), insbesondere generative KI in Form von Large Language Models (LLM), verspricht durch ihre Fähigkeit, unstrukturierte Daten wie Texte, Präsentationen oder Webcasts zu verarbeiten, erhebliche Automatisierung und Effizienzsteigerungen. Doch so verlockend die Aussicht auch sein mag, direkt einen Account bei einem großen Anbieter zu erstellen und eigene Daten zu verwenden, das birgt Risiken, vor allem wenn man Datenschutz und Urheberrecht betrachtet. Selbst wenn diese rechtlichen Hürden genommen sind, bleibt die Herausforderung für das Qualitätsmanagement bestehen, insbesondere bei steuerspezifischen Anwendungen mit Chatbots, die sich stetig ändernden rechtlichen Grundlagen unterliegen.

Generative KI im Steuerbereich

Im Steuerbereich transformiert generative KI, etwa durch den Einsatz von Chatbots, die Arbeitsweise von Steuerabteilungen. Basis-Chatbots wie zum Beispiel ChatGPT oder Google Gemini, die mit umfangreichem Allgemeinwissen trainiert sind, erleichtern alltägliche Aufgaben, etwa Dokumente zusammenfassen, E-Mails erstellen oder Präsentationsinhalte generieren. Spezialisierte Tax Chatbots nutzen Retrieval Augmented Generation (RAG), um auf steuerliches Fachwissen zuzugreifen und komplexe Fachfragen präzise zu beantworten, wobei sie relevante Dokumente systematisch auswerten. Darüber hinaus ermöglichen LLM die Automatisierung von Prozessen, die unstrukturierte Daten beinhalten, und tragen zu einem verbesserten Wissensmanagement bei. Für den Steuerbereich empfiehlt sich ein schrittweiser Einsatz von generativer KI, beginnend mit allgemeinen Chatbots, um zunächst ein Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen dieser Technologie zu entwickeln.

Datenschutz bei der Anwendung von KI

In der Steuerpraxis greifen Fachleute zur Nutzung von generativer KI derzeit in der Regel auf fortgeschrittene LLM zurück, wie sie von Unternehmen wie OpenAI, Alphabet oder Aleph Alpha angeboten werden. Diese Modelle, auch als Foundational Models bekannt, werden nicht mit spezifischen, firmeneigenen Daten trainiert, sondern basieren auf einer breiten Wissensgrundlage. Sie fungieren nicht nur als Basis-Chatbots zur Vereinfachung von Routinetätigkeiten, sondern bilden auch die Grundlage für steuerspezifische Anwendungen wie spezialisierte Tax Chatbots und LLM-basierte Prozessautomatisierung. Trotz ihrer Effizienz und Leistungsfähigkeit kann die Nutzung solcher Modelle auch spezifische Risiken bergen. Häufig geäußerte Bedenken in diesem Zusammenhang beinhalten die potenzielle Nutzung der eingegebenen Daten für Trainingszwecke des Modells selbst, was zu unbeabsichtigten Datenschutzverletzungen führen kann. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass die Anbieter der Modelle Zugang zu vertraulichen Nutzerdaten erhalten und diese auswerten. Auch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Modelle ist problematisch, da sie Rückschlüsse auf die Identität der Nutzerinnen und Nutzer ermöglichen können.

Datenschutzrisiken managen?

Eine zentrale Entscheidung beim Aufbau von KI-Lösungen für das eigene Unternehmen unter datenschutzrechtlichen Aspekten ist die Frage nach der Infrastruktur. Hierbei gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten: Das Hosting der benötigten KIModelle in der eigenen Infrastruktur oder den Zugang via AI as a Service von einem vertrauenswürdigen Anbieter. Bei der ersten Variante wird das KI-Modell in der eigenen Infrastruktur betrieben, entweder auf eigenen Servern – üblicherweise mit Open-Source-Modellen – oder durch die Verwendung populärer Modelle in einer vertrauenswürdigen Cloud. Zum Beispiel lassen sich die KI-Modelle von OpenAI über die Azure Cloud von Microsoft nutzen. Der Aufbau einer eigenen KI-Infrastruktur im Unternehmen erfordert entsprechendes Know-how und kann mit erheblichem Aufwand und hohen Kosten verbunden sein.

Abgesicherte Infrastruktur

Die zweite Variante, AI as a Service, bietet Zugang zu LLM über die Infrastruktur eines vertrauenswürdigen Dienstleisters. Dies erspart den Aufbau entsprechender eigener KI-Kompetenzen und -Infrastruktur. Sinnvoll ist die Auswahl eines Anbieters, der die spezifischen Anforderungen der Steuerbranche versteht. Ein Beispiel hierfür ist plAIground, eine KI-Plattform speziell für den Steuerbereich, die von einem Joint Venture der Steuerberatungsgesellschaften WTS und PSP entwickelt wurde und in dessen abgesicherter Infrastruktur betrieben wird. Die Plattform bietet verschiedene Anwendungen, vom Zugriff auf die Basisfunktionen über speziell konfigurierte Steuer-Chatbots zu verschiedenen Themen bis zur Nutzung eigener Unternehmensdaten in einem abgesicherten eigenen Bereich des Tools. Neben der Infrastrukturentscheidung gibt es zahlreiche weitere Überlegungen, die bei Einführung von KI-Anwendungen angestellt werden sollten. Hierzu gehören neben der Risikoeinschätzung in Bezug auf die Infrastruktur sowie Überlegungen zwischen dem Kauf und der Eigenentwicklung von Produkten oder Dienstleistungen unter anderem eine genaue Untersuchung der verarbeiteten Daten sowie deren Entwicklung über die Zeit und eine Bewertung der potenziellen Risiken bei fehlerhaftem Output. Die Analyse personenbezogener Daten und die Möglichkeiten ihrer Anonymisierung vor der Verarbeitung sind zentral. Ebenso sind eine Schwellwertanalyse zur Feststellung der Notwendigkeit einer Datenschutzfolgenabschätzung und die Bewertung von Restrisiken wichtig. Ergänzend sind die Protokollierung von Daten, die Klärung formaler datenschutzrechtlicher Aspekte wie Verantwortlichkeiten, Vertragsbeziehungen, technisch-organisatorische Maßnahmen und Prozesse für die Einhaltung von Datenschutzvorgaben essenziell. Intern sollten Richtlinien für die Nutzung und Verarbeitung von KI-Daten festgelegt, dokumentiert und regelmäßig aktualisiert werden, um Transparenz, Sicherheit und Datenschutzkonformität zu gewährleisten.

Urheberrecht

In den letzten Monaten hat sich die Berichterstattung über Klagen von Autoren und Medienunternehmen, wie der New York Times, gegen KI-Unternehmen aufgrund von Urheberrechtsverletzungen gehäuft. Diese Entwicklung weckt bei einigen Nutzern von KITechnologien die Sorge, gegen das Urheberrecht zu verstoßen und Strafen zu riskieren. Die Einordnung dieser Fälle erfordert eine Unterscheidung zwischen dem Training von KI durch große KI-Anbieter wie OpenAI und Alphabet auf der einen Seite und der Nutzung von KI-Anwendungen, beispielsweise durch Steuerberatungskanzleien, auf der anderen Seite. Die genannten Fälle, in denen Verlage und Autoren klagen, betreffen das Training von KIAnwendungen durch KI-Anbieter, wenn die Vermutung besteht, dass deren Technologien urheberrechtlich geschützte Inhalte unrechtmäßig verwenden. Nutzer von KI-Anwendungen wie ChatGPT hingegen sollten laut einer aktuellen Zusammenfassung des Bundesjustizministeriums sicherstellen, dass die vom jeweils genutzten KI-Tool generierten Inhalte keine erkennbaren urheberrechtlich geschützten Werke enthalten. Werden Inhalte, die zu nah am Original sind, ohne Zustimmung des Rechteinhabers vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben, liegt eine Rechtsverletzung vor. Sind die ursprünglich urheberrechtlich geschützten Werke in den Ergebnissen nicht mehr erkennbar, dürfen die KI-generierten Ergebnisse jedoch frei verwendet werden.

Rechtliche Grauzone

Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Szenarien bleibt derzeit eine rechtliche Grauzone. Für Nutzer, die etwa ein LLM nutzen, um aus vorhandener, urheberrechtlich geschützter steuerlicher Fachliteratur neue Texte oder anderweitige Inhalte zu generieren, empfiehlt es sich, den neu entstandenen Text möglichst weit vom Original abweichen zu lassen, wozu auch entsprechende Anweisungen an das KI-Modell gegeben werden können. Wo notwendig beziehungsweise sinnvoll, sollten, wie bereits in der Zeit vor generativer KI üblich, entsprechende Quellenangaben aufgenommen werden. Nicht urheberrechtlich geschützt sind laut dem Bundesministerium für Finanzen übrigens Verwaltungsanweisungen wie BMF-Schreiben, die oft als Basis für steuerliche Fachveröffentlichungen dienen. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen bleibt ein Restrisiko bestehen, dass die vom KI-Modell generierten Ergebnisse ohne Wissen des Nutzers urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. Um die Verunsicherung der Nutzer zu mindern, bieten einige KI-Anbieter inzwischen Schutzmaßnahmen an. So hat beispielsweise Sam Altman, CEO von OpenAI, im November 2023 den OpenAI Copyright Shield für Unternehmenskunden vorgestellt. Hierbei verpflichtet sich OpenAI, potenzielle Kosten bei rechtlichen Ansprüchen wegen Urheberrechtsverletzungen gegen die Nutzer seiner Enterprise Services zu übernehmen. Damit schließt sich OpenAI einer Reihe von Technologieunternehmen wie Amazon, Microsoft und IBM an, die ihren Nutzern ähnliche Garantien gewähren. Dies kann eine sinnvolle Überbrückung darstellen, bis die Rechtslage eindeutiger ist. Die maßgebliche Richtlinie zu Urheberrechtsschutz im EU-Recht wird 2026 überprüft. Aus Nutzersicht ist zu hoffen, dass hierbei auch der Urheberrechtsschutz im Zusammenhang mit KI-generierten Inhalten klar berücksichtigt wird.

Qualitätssicherung bei der Arbeit mit Tax Chatbots

Tax Chatbots nutzen LLM, die mit steuerspezifischen Dokumenten angereichert werden, um präzise Antworten auf Nutzerfragen zu liefern. Die Antworten der Chatbots basieren auf den Inhalten der hinterlegten Dokumente und geben die entsprechenden Quellen an. Damit können sie zu deutlich mehr Effizienz bei der Beantwortung steuerlicher Fragestellungen beitragen. Die Implementierung solcher steuerspezifischer Chatbots erfordert jedoch mehr als ein einmaliges Set-up, da sich steuerrechtliche Rahmenbedingungen häufig ändern. Eine kontinuierliche Aktualisierung der hinterlegten Inhalte ist unerlässlich, was eine enge Zusammenarbeit zwischen dem IT-Team und Steuerexperten sowie klar definierte Prozesse voraussetzt. So muss bei neuen Richtlinien oder Gesetzesänderungen das Fachteam umgehend das IT-Team informieren, das die neuen Informationen beziehungsweise Dateien in den Chatbot integriert und für die maschinelle Verarbeitung aufbereitet sowie nicht mehr aktuelle Inhalte entfernt. Zusätzlich kann die Qualitätssicherung zum Beispiel durch den Einsatz von sogenannten Knowledge Graphs unterstützt werden, die die Beziehungen und Metadaten der hinterlegten Daten visualisieren. Die im Knowledge Graph hinterlegten Informationen müssen ebenfalls aktualisiert werden, um die Relevanz und Genauigkeit der Chatbot-Antworten zu erhalten. Auch wenn zukünftig möglicherweise ein Teil dieses Prozesses, wiederum auch mithilfe von KI, automatisiert werden könnte, erfordert die Qualitätssicherung derzeit und wahrscheinlich auch zukünftig den laufenden Input der Steuerexperten und die umgehende Umsetzung durch die IT-Experten. Der Aufbau und vor allem die Maintenance eines steuerlichen Experten-Chatbots kann daher eine komplexe Aufgabe darstellen, die sowohl fachliches als auch technologisches Know-how erfordert. Wer solche Lösungen selbst erstellen möchte, benötigt umfassende Kenntnisse in beiden Bereichen. Bei der Lizenzierung vorgefertigter Lösungen, die als AI as a Service angeboten werden, können Unternehmen erheblich von Synergieeffekten der Anbieter profitieren.

Fazit und Ausblick

Die Nutzung modernster KI-Technologie bietet enorme Chancen für den Steuerbereich. Insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der stetig zunehmenden Regulierung erscheint der Einsatz von KI nahezu unvermeidlich. Trotz aller Euphorie ist eine verantwortungsvolle Nutzung von KI-Technologien entscheidend, um Effizienzsteigerungen nicht gegen neue, schwer vorhersehbare Risiken einzutauschen. Weitere relevante Themen sind unter anderem die ethisch verantwortungsvolle Nutzung von KI im Unternehmen sowie die Ausbildung der Mitarbeiter, die KI nutzen sollen. Grundsätzlich ist es ratsam, bei Fragen zur verantwortungsvollen Nutzung von KI im Steuerbereich, mit Experten auf diesem Gebiet zusammenzuarbeiten – sei es die Tax-Technology-Abteilung im eigenen Unternehmen, ein Anbieter von spezieller Steuer-Software im Bereich KI – und Berater mit Expertenwissen an der Schnittstelle von Steuern und KI und vor allem den Datenschutzbeauftragten mit einzubeziehen. Auf jeden Fall sollten Risiken aus der Nutzung von KI von Anfang an adressiert und nicht ignoriert werden.

DATEV KI-WERKSTATT

Auch DATEV hat einen AI Playground, die KI-Werkstatt, eine Online-Plattform speziell für Mitglieder, Kammern, Verbände und Partner, die in einer abgesicherten Infrastruktur betrieben wird. Die KI-Werkstatt bietet KI-basierte Prototypen rund um die Steuerberatung, die getestet werden können und die bei entsprechendem Feedback zu Produkten ausgebaut werden. www.datev.de/ki-werkstatt

Zu den Autoren

JK
Dr. Jenny Köppe-Karkutsch

Senior Manager im Bereich WTS Digital, Transfer Pricing & AI bei der WTS Group am Standort Nürnberg

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MB
Michel Braun

Steuerberater sowie Partner im Bereich WTS Digital, Transfer Pricing & AI bei der WTS Group am Standort Düsseldorf

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