ZuFinG - 29. August 2024

Chancen und Risiken für Anleger

Der private Vermögensaufbau gewinnt zunehmend an Bedeutung. Daher lohnt sich ein Blick in das neue Zukunftsfinanzierungsgesetz. Wo liegen aus Anlegersicht die Vorteile, aber auch Fallstricke oder Schwachpunkte?

Das seit dem 15. Dezember 2023 wirksame Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) gehört zur umfassenden Startup-Strategie der Bundesregierung. Die federführenden Bundesministerien der Finanzen sowie der Justiz wollen so die Rahmenbedingungen für zukunftssichernde Investitionen verbessern. Dazu gehört auch ein erleichterter Zugang zum Kapitalmarkt. Herausgekommen ist ein Artikelgesetz mit Änderungen in 31 Gesetzen, die nicht nur Start-ups betreffen.
Was bedeutet das für Anlegerinnen und Anleger?

Aus Aktionärssicht positive Aspekte

Die Daten der Bundesbank zeigen, dass sich die Deutschen arm sparen: Sie bevorzugen vermeintlich sichere Anlagen wie Lebensversicherungen oder Anleihen. Nur etwa 10 Prozent des Haushaltsvermögens legen sie in Aktien an. Damit nehmen die meisten Anleger inflationäre Wertverluste in Kauf und erzielen keine Kursgewinne. Daher spricht alles für eine Stärkung der Aktienkultur. In den letzten Jahren sind die Börsenzettel durch Hunderte von Squeeze-outs und Delistings merklich kürzer geworden. Daher ist jede Aktivität des Gesetzgebers zu begrüßen, die Anzahl der börsennotierten Gesellschaften zu erhöhen. Schließlich gibt es genug Geld, das Anlagemöglichkeiten in Sachwerten sucht.

Stärkung des Finanzstandorts Deutschland

Die Bundesregierung hält es für erforderlich, die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts zu stärken und die Attraktivität des deutschen Finanzstandorts zu erhöhen. Dazu soll insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als Treiber von Innovationen der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden. In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob diese Ziele erreicht werden. Dazu gehört aber auch, sich um die Akzeptanz der Aktie zu kümmern. Dies umfasst auch einen effektiven Rechtsschutz und eine angemessene Finanzbildung. Es müssen auch belastbare Rahmenbedingungen wie zum Beispiel eine funktionierende digitale Infrastruktur, marktgerechte Energiepreise und hinreichend qualifizierte Fachkräfte hinzukommen. Das ZuFinG allein reicht nicht aus.

Fallstricke und Schwachpunkte

Das ZuFinG gilt für alle Gesellschaftsformen und nicht nur für innovationsstarke Unternehmen auf dem Weg zu den Finanzmärkten. Daher bleibt abzuwarten, wie die anderen Gesellschaften neue Regelungskonzepte nutzen werden. Das gilt vor allem für die Mehrstimmrechtsaktien oder den Bezugsrechtsausschluss. Dabei kann es zu Benachteiligungen von Aktionären kommen.

Einführung von Mehrstimmrechtsaktien

Besonders kontrovers wurden die Mehrstimmrechtsaktien diskutiert. Sie dürfen jetzt ein zehnfaches Stimmrecht gewähren. Zuvor hatte das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) sie im Jahr 1998 abgeschafft. Stimmrechte ohne korrespondierendes Anteilseigentum entsprachen damals nicht den Erwartungen des Kapitalmarkts und schwächten die Eigentümerkontrolle. Der globale Wettbewerb auf den Kapitalmärkten verlangt wohl eine Angleichung. In den USA gibt es Dual-Class Shares mit unterschiedlichem Stimmgewicht bei Publikumsgesellschaften. Andere europäische Staaten sind dem gefolgt. Damit behalten die Gründer auch nach einem Einstieg von Investoren oder einem Börsengang einen kontrollierenden Einfluss. Zugunsten der übrigen Aktionäre gibt es verschiedene Schutzmechanismen:

  • Mehrstimmrechte erlöschen zehn Jahre nach einer Börsenzulassung beziehungsweise einer Einbeziehung in den Freiverkehr. Diese Frist kann nur durch einen Hauptversammlungsbeschluss mit einer Dreiviertelmehrheit um bis zu zehn Jahre verlängert werden.
  • Das Mehrstimmrecht endet mit einer Übertragung der Aktien. Der Gesetzgeber erlaubt nur den Gründern, nicht aber den Erwerbern, einen zeitlich begrenzten bestimmenden Einfluss.
  • Die Satzung kann das Mehrstimmrecht auf bestimmte Beschlussgegenstände beschränken.
  • Bei besonderen Kontrollrechten, die keinen bestimmenden Einfluss gewähren, gibt es kein Mehrstimmrecht. Das gilt zum Beispiel für die Bestellung des Abschluss- oder Sonderprüfers.

Eine Begrenzung auf einen bestimmten Personenkreis, der Inhaber der Mehrheitsstimmrechte sein kann, gibt es nicht. So sind Mehrheitsstimmrechte auch bei der Veräußerung von Tochtergesellschaften für eine Muttergesellschaft oder Finanzinvestoren möglich, um einen bestimmenden Einfluss zu behalten.

Vereinfachter Bezugsrechtsausschluss

Bei einer Kapitalerhöhung erhalten die Altaktionäre zum Schutz vor Verwässerung ein Bezugsrecht. Um ein Bezugsrecht zu vermeiden, ist ein sachlicher Grund erforderlich, oder die Kapitalerhöhung bleibt unter der Schwelle von 10 Prozent des Grundkapitals. Diese Schwelle wird jetzt auf 20 Prozent angehoben. Ein Anfechtungsausschluss erhöht dabei die Rechtssicherheit von Transaktionen. Die Anleger können aber im aktienrechtlichen Spruchverfahren die Voraussetzungen prüfen lassen. Das Spruchverfahren tritt auch im Übrigen an die Stelle von Anfechtungsklagen. In der Praxis ist damit zu rechnen, dass es dann künftig bei jeder Kapitalmaßnahme zu einem Spruchverfahren kommt. Soweit es hier auf die Wertverhältnisse ankommen sollte, fehlen jedenfalls die Berichte mit den relevanten Informationen. Ungeklärt sind auch die verfassungsmäßigen Gewährleistungen zum Aktieneigentum, die einen Zugang zum inneren Wert verlangen. Die Anhebung dieser Schwelle von 10 auf 20 Prozent führt im Ergebnis bei den Anlegern zu einer wirtschaftlichen Enteignung. Dafür ist kein sachlicher Grund ersichtlich. Es überzeugt nicht, an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass in der Praxis die meisten Kapitalerhöhungen über 10 Prozent liegen.

Börsenmantelaktiengesellschaften

Das Börsengesetz regelt jetzt Börsenmantelaktiengesellschaften zum Zweck einer Börsenzulassung. Es handelt sich um die deutsche Variante der Special Purpose Acquisition Company (SPAC) aus den USA. Diese Gesellschaften in der Rechtsform einer AG oder SE werben erst bei Investoren Geld ein und suchen dann nach Übernahmezielen. Damit entfallen für die übernommene Gesellschaft der Aufwand und die Kosten eines Börsengangs. Es handelt sich somit um ein Reverse IPO (Initial Public Offering). Anleger erwerben eine Blackbox, können aber gegebenenfalls austreten. 2020 und 2021 kam es in den USA zu einem Hype, der längst vorüber ist. So zeigt der CNBC SPAC 50 Index deutlich eine rückläufige Entwicklung. Weil es sich bei den SPAC um Übernahmen und nicht um Börsengänge handelt, gelten weniger strenge Regeln. So kam es immer wieder zu überoptimistischen Geschäftsaussichten, die nicht eintraten. Vielfach konnte auch innerhalb von 24 Monaten kein überzeugendes Übernahmeziel gefunden werden. Es mag zwar durchaus sein, dass es in Deutschland in den letzten Jahren einige Transaktionen gab, die sich am SPAC-Modell orientiert haben. Die Erfahrungen in den USA lassen aber nicht vermuten, dass sich diese Rechtsform hier nachhaltig durchsetzt.

Fazit

Angesichts der Überforderung der Sozialversicherungen wird der private Vermögensaufbau immer wichtiger. Das Gesetz schafft weitere Möglichkeiten für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen. Es spricht einiges dafür, so die Aktienkultur hierzulande zu stärken.

MEHR DAZU

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Zum Autor

MW
Dr. Martin Weimann

Rechtsanwalt in eigener Kanzlei in Berlin. Er vertritt Aktionäre jeder Größenordnung gegenüber Aktiengesellschaften. Daneben ist er in der Beraterhaftung für Anleger sowie in der Testamentsvoll-streckerhaftung für Erblasser tätig.

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