Letztwillige Verfügungen - 26. September 2024

Auf Experten setzen

KI hält mit rasanter Geschwindigkeit Einzug in unser Leben und ist längst auch in der Rechtsprechung angekommen. Doch bei dem sensiblen Thema Nachlassplanung kann auf eine fachkundige Beratung vom Juristen weiterhin nicht verzichtet werden.

Legal-Tech-Unternehmen bieten inzwischen auch im Erbrecht Dienstleistungen an. Dies liegt auch an der Fortentwicklung von KI, die im letzten Jahr nahezu einen Quantensprung machte. Daher könnte man nun auf die Idee kommen, sich sein Testament von einer KI-Anwendung elektronisch und kostenlos erstellen zu lassen, anstatt einen Anwalt oder Notar aufzusuchen. Davon ist allerdings dringend abzuraten, weil die damit verbundenen Risiken erheblich sind.

Expertenrat bleibt unerlässlich

Die heutigen KI-Programme klären weder darüber auf, in welcher Form ein Testament zu errichten ist, noch sprechen sie die Möglichkeit an, die letztwillige Verfügung amtlich zu verwahren. Auch die Aspekte einer nationalen Rechtswahl werden nur unzureichend berücksichtigt – etwa, wenn der Lebensabend im spanischen Ferienhaus verbracht werden soll. Gleiches gilt für das komplexe Pflichtteilsrecht oder die Bindungswirkung, durch die Ehegattinnen und -gatten bei einem gemeinschaftlichen Testament in ihrer Testierfreiheit eingeschränkt sind. Darüber hinaus weisen KI-Anwendungen stets auf das Thema Testamentsvollstreckung hin, wodurch der falsche Eindruck entstehen kann, eine solche Anordnung sei zwingend notwendig. Um den Willen des Erblassers bestmöglich umzusetzen, bietet das Erbrecht schließlich die Möglichkeit, Vermächtnisse, Teilungsanordnungen, Vor- und Nacherbschaft oder Auflagen anzuordnen beziehungsweise sonstige Klauseln zu verwenden. Über all diese Möglichkeiten klärt die KI nicht selbstständig auf. Zudem werden auch steuerrechtliche Aspekte nicht detailliert genug erläutert. Daran zeigt sich, dass eine anwaltliche oder notarielle Beratung unerlässlich bleibt.

Fälschungsrisiken

Mit KI-Anwendungen geht auch das Fälschungsrisiko einher. Seit über hundert Jahren gelten Hand- sowie Unterschrift beim Testament als eindeutige Identifikationsmerkmale des Urhebers. Denn mit der Handschrift lässt sich die Identität des Verfassers einer Urkunde feststellen. Ja, sogar dessen Persönlichkeit wollen Grafologen an der Handschrift erkennen. Vor diesem Hintergrund hat das deutsche Erbrecht an die persönliche Handschrift die weitreichende Folge geknüpft, dass neben dem notariell beurkundeten Testament auch eine handschriftliche letztwillige Verfügung wirksam ist. Doch seitdem es Wissenschaftlern an der Mohamed bin Zayed University of Artificial Intelligence in Abu Dhabi gelungen ist, jede Handschrift sprichwörtlich im Handumdrehen mithilfe von KI so gut zu imitieren, dass das Imitat mit bloßem Auge nicht mehr vom Original zu unterscheiden ist, ist die alte Ordnung der Juristen aus den Fugen geraten. Aber macht KI die eigenhändigen Testamente wirklich fälschungsanfälliger?

Kopie kann ausreichen

Schließlich muss ein vermeintlich handgeschriebenes Computertestament noch ausgedruckt werden. Das ausgedruckte Dokument ist letztlich nur eine Kopie und kein Original. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg die Kopie eines Testaments als Beweismittel ausreichen kann, sofern das Original nicht mehr auffindbar ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 29.03.2012, Az. 2 Wx 60/11). Dies soll aber immer nur im Ausnahmefall gelten. Schließlich darf das Testament nicht willentlich vom Erblasser vernichtet und damit widerrufen worden sein. Würde man den Nachlassgerichten nur noch Testamentkopien vorlegen können, müsste der Gesetzgeber unmittelbar handeln.

Junge Generation ist digital

Derzeit kann man davon ausgehen, dass die handschriftlichen Testamente in der Praxis noch der Regelfall sind, zumal die meisten Bürger die Notarkosten für das Aufsetzen eines öffentlichen Testaments scheuen – ganz abgesehen davon, dass das handschriftliche Testament zu jeder Zeit und an jedem Ort aufgesetzt werden kann. Trotzdem wird man auf lange Sicht nicht umhinkommen, dem geänderten Kommunikationsverhalten Rechnung zu tragen. Die junge Generation kommuniziert heute nahezu ausschließlich über WhatsApp und soziale Medien. Handschriftliche Nachrichten und Dokumente sind out. Deshalb ist zu erwarten, dass der nationale Gesetzgeber in absehbarer Zeit ein wie auch immer ausgestaltetes Laptop-Testament zulassen werden muss.

Digitale Testamente

Schließlich ist ein digitales Testament schon heute indirekt rechtswirksam. Setzt etwa ein deutscher Staatsangehöriger in Florida ein Testament am Computer auf, kann diese Testamentsform über die Europäische Erbrechtsverordnung sowie das Haager Übereinkommen auch hierzulande schon rechtsgültig sein. Hintergrund: In Florida gilt ein digitales Testament 2.0 am Computer als rechtsgültig, wenn der Text mit einer digitalen Signatur versehen und von zwei Zeugen bestätigt wird. In anderen US-Bundesstaaten gelten ähnliche Regelungen.

Testament hinterlegen

All diejenigen, die hierzulande die Kosten eines notariellen Testaments scheuen, aber die Verwirklichung ihres letzten Willens dennoch gegen Fälschungen gesichert wissen wollen, sollten ihr Testament beim örtlichen Nachlassgericht hinterlegen. Dann kann niemand mehr manuelle Änderungen an der Urkunde vornehmen. Hierfür fallen in der Regel gerade einmal 75 Euro an, die gut investiert sind, um viel Ärger und Streitigkeiten bei den Hinterbliebenen zu verhindern.

Fazit

Vor dem schnell und einfach anmutenden Weg über KI muss im Erbrecht, speziell bei der Nachlassplanung, entschieden gewarnt werden. Denn in diesem sensiblen juristischen Bereich bleibt eine fachkundige juristische Beratung weiterhin unerlässlich.

Zum Autor

Dr. Sven Gelbke

Rechtsanwalt in Köln und Geschäftsführer der JustSolutions GmbH

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