Online-Notariat - 25. Juli 2024

Digital beurkunden

Auch bei Notaren schreitet die Digitalisierung unaufhaltsam fort. So sind hierzulande mittlerweile Online-Gründungen und digitale Beurkundungstermine mit gesellschaftsrechtlichem Bezug möglich, sofern die Beteiligten gewisse Voraussetzungen erfüllen.

Am 1. August 2022 fiel der Startschuss für das notarielle Online-Verfahren. Ausgewählte gesellschaftsrechtliche Sachverhalte können so ohne persönliches Erscheinen der Beteiligten bei einer Notarin oder einem Notar zeitgemäß und sicher in digitaler Umgebung beurkundet werden. Durchgeführt wird das Online-Verfahren in einer von der Bundesnotarkammer (BNotK) eigens entwickelten sicheren Videokommunikationsumgebung unter Teilnahme eines Notars. Es stellt für die Beteiligten eine zusätzliche Beurkundungsmöglichkeit neben dem Präsenztermin dar und ist demnach nicht verpflichtend.

Schrittweise Umsetzung

In einem ersten Schritt wurde das Online-Verfahren für eine begrenzte Anzahl von eher einfach gelagerten gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten geöffnet. Hierzu zählen die (Bar-) Gründung einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) sowie sämtliche Anmeldungen zum Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister. Die Online-Plattform und deren gesetzliche Grundlagen werden jedoch stetig fortentwickelt. So wurde die Plattform im August des vergangenen Jahres bereits für weitere Beurkundungsgeschäfte geöffnet. Dreh- und Angelpunkt für das notarielle Online-Verfahren ist die von der BNotK betriebene Videokommunikationsplattform mit der dazugehörigen kostenlosen Smartphone-App, die eine sichere Kommunikation zwischen Notar und den Beteiligten gewährleistet.

Technische und formelle Voraussetzungen

Das System kann mit gebräuchlicher und daher meist bereits vorhandener Hardware genutzt werden. Die Beteiligten benötigen lediglich einen PC, Laptop oder ein Tablet mit Webcam, ein Smartphone mit der in den jeweiligen App-Stores frei erhältlichen Notar-App und einen geeigneten Ausweis (in der Regel Personalausweis). Die Beteiligten registrieren sich zunächst bei der Plattform und kontaktieren darüber den gewünschten Notar für eine Terminabstimmung. Alternativ kann ein Notar auch einen Einladungs-Link für das Online-Verfahren per E-Mail an die Beteiligten versenden. Jeder Notar in Deutschland ist verpflichtet, das Online-Verfahren anzubieten. Eine Einschränkung bei der Notarwahl besteht nur insoweit, als dass die gewünschte Beurkundung einen örtlichen Bezug zu dem Amtsbereich des beteiligten Notars haben muss. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn die zu gründende Gesellschaft den Sitz am Ort des Notars haben soll oder einer der Gesellschafter oder der Geschäftsführer vor Ort lebt.

Ablauf der Beurkundung

Über die Plattform werden im Vorfeld die vom Notar vorbereiteten Entwürfe ausgetauscht. Diese werden anschließend im Rahmen einer Videokonferenz beurkundet oder beglaubigt. Die Identifikation der Beteiligten zu Beginn des Termins sowie die digitale Unterzeichnung der Urkunden erfolgen regelmäßig mittels Personalausweis und einer bei der Registrierung vergebenen elektronischen Signatur. Der deutsche Personalausweis enthält bereits seit 2010 einen Funk-Chip (eID-Funktion), der die persönlichen Daten und seit September 2021 auch ein Passbild des Inhabers enthält und per Smartphone kontaktlos ausgelesen werden kann. Bei älteren Personalausweisen ohne gespeichertes Lichtbild kann das Bild auch aus einem Reisepass ausgelesen werden, der das Passbild bereits seit 2005 in elektronischer Form enthält. Aus Sicherheitsgründen ist das Auslesen der persönlichen Daten nur durch Eingabe der zugehörigen PIN auf dem Smartphone möglich. Dieser mehrstufige Authentifizierungsprozess wird von Sicherheitsexperten im Gegensatz zu dem einfachen Video-Ident-Verfahren, bei dem der Ausweis lediglich durch eine optische Kontrolle vor der Kamera überprüft wird, als sicher eingestuft. Neben dem Personalausweis werden auch der elektronische Aufenthaltstitel, eine eID-Karte oder Unionsbürgerkarte und zahlreiche eID-fähige Ausweisdokumente von verschiedenen EU- und EWR-Staaten mit entsprechendem Sicherheitsniveau akzeptiert. Die Erfahrung zeigt, dass aktuell leider zahlreiche Online-Beurkundungen allein deswegen noch nicht durchgeführt werden können, weil den Beteiligten die PIN nicht bekannt ist. Aktuell ist es leider noch so, dass eine neue PIN nur bei der zuständigen Behörde beantragt werden kann, was einen weiteren Behördengang erforderlich macht. Das Beurkundungsverfahren selbst ähnelt einem herkömmlichen Präsenztermin. Nach der Identifikation der Beteiligten wird die notarielle Urkunde bei einer Beurkundung wie gewohnt verlesen. Bei einer Beglaubigung entfällt dieser Schritt. Das verlesene beziehungsweise zu beglaubigende Dokument wird in einem Fenster angezeigt und kann geprüft werden. Wie im Präsenzverfahren auch können weitere Personen wie etwa Berater an dem Termin teilnehmen, offene Fragen geklärt und gegebenenfalls Änderungen an der Urkunde vorgenommen werden. Abschließend wird das Dokument von den Beteiligten mit der bei der Registrierung vergebenen qualifizierten elektronischen Signatur versehen und auch vom Notar signiert.

Nutzen und Kosten

Die bislang gesammelten Erfahrungen mit dem notariellen Online-Verfahren sind insgesamt sehr positiv, zumal an der Software laufend Verbesserungen vorgenommen werden und dadurch die Benutzerfreundlichkeit stetig erhöht wird. Der gegebenenfalls erforderliche einmalige Aufwand, um den Personalausweis onlinefähig zu machen, lohnt sich, zumal sich der Ausweis durch Beantragung einer PIN dann auch bei dem immer größer werdenden behördlichen Digitalangebot verwenden lässt. Zudem entfällt auch die Anreise zum Notar. Gerade Personen, die häufig Registeranmeldungen durchführen müssen, werden von dem Online-Verfahren profitieren. Diese zumeist einfachen Verwaltungstätigkeiten, wie etwa die Anmeldung von Geschäftsführerwechseln oder Änderungen der inländischen Geschäftsanschrift, können nun ohne Besuch beim Notar komfortabel direkt vom Schreibtisch aus, sogar aus dem Ausland, erledigt werden. Die Kosten für die Durchführung des Online-Verfahrens sind überschaubar und dürften häufig durch die Einsparung des Anfahrtsaufwands aufgewogen werden. Neben den in jedem Fall zu erhebenden Gebühren für die Beurkundung beziehungsweise die Beglaubigung wird lediglich eine zusätzliche Pauschale von 25 Euro pro Beurkundungsverfahren und 8 Euro pro Beglaubigungsverfahren fällig.

Weitere Ausbaustufen

Nach einer einjährigen Testphase wurde der Anwendungsbereich des Online-Verfahrens am 1. August 2023 ausgeweitet. Seither ist es möglich, auch GmbH-Gründungen mit Sacheinlage durchzuführen, sofern die Übertragung des einzubringenden Gegenstands nicht seinerseits speziellen Beurkundungserfordernissen unterliegt, wie insbesondere bei der Einbringung von GmbH-Anteilen und Immobilien. Zum anderen können einstimmig gefasste Gesellschafterbeschlüsse über Satzungsänderungen einschließlich Kapitalmaßnahmen und Übernahmeerklärungen im Online-Verfahren beurkundet werden. Auch hier gilt, dass keine speziellen anderen Formvorschriften entgegenstehen dürfen. Daher scheiden Kapitalmaßnahmen aus, bei denen GmbH-Anteile oder Immobilien in die Gesellschaft eingebracht werden sollen, da hierfür eine spezielle Beurkundungspflicht besteht. Da regelmäßig auch Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarungen bei Investitionen im Start-up-Bereich eigenständige Beurkundungspflichten auslösen, wird auf absehbare Zeit auch bei Finanzierungsrunden der Gang zum Notar erforderlich bleiben. Zudem sind noch keine Umwandlungsmaßnahmen möglich, wenngleich laut Gesetzesbegründung bereits geplant ist, diese in einem nächsten Schritt zu ermöglichen. Allerdings sind nun auch sämtliche Anmeldungen zum Vereinsregister im Online-Verfahren möglich.

Ausgeschlossene Rechtsgebiete

Das notarielle Online-Verfahren steht nur für bestimmte Angelegenheiten des Gesellschaftsrechts zur Verfügung. Eine Erweiterung auf andere Bereiche, so etwa die Beurkundung von Wohnungs- und Grundstückskaufverträgen, ist derzeit nicht geplant. Hintergrund ist sicherlich auch die zentrale beratende, gestaltende, belehrende und vor Übereilung schützende Rolle im Sinne einer vorsorgenden Rechtspflege, die das deutsche Recht dem Notar bei Rechtsgeschäften mit großer Tragweite zuweist. Eine Videokonferenz kann die ungestörte und vertrauliche Atmosphäre eines Beratungsgesprächs in Gegenwart der Beteiligten nicht in jedem Fall ersetzen und ist daher nicht immer ein geeigneter Ersatz für zumindest einen Präsenztermin mit dem Notar. Ein persönliches Gespräch ist Basis für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses und ist häufig erforderlich, um etwaige Besonderheiten des Einzelfalls sowie die individuellen Beratungsbedürfnisse, insbesondere unerfahrener Beteiligter bei schwerwiegenden Entscheidungen, zu erkennen und darauf eingehen zu können.

Blick über die Grenze

Ein Blick ins Ausland verrät, dass andere Länder ein deutlich höheres Angebot an notariellen Online-Dienstleistungen anbieten. In diesem Zusammenhang werden immer wieder Estland und Österreich als Vorreiter genannt. In beiden Ländern erfolgen mit wenigen Ausnahmen fast sämtliche Urkundsgeschäfte auch online. Ausgenommen sind nur einzelne Sachverhalte, darunter die Eheschließung oder die Errichtung von Testamenten sowie letztwilligen Verfügungen. Das Angebot erfreut sich großer Beliebtheit. So erfolgten in Estland über 90 Prozent der Gesellschaftsgründungen online. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass in anderen Ländern der Rolle des Notars nicht immer die Bedeutung wie der in Deutschland zukommt und insofern die Sachverhalte nicht unbedingt vergleichbar sind. So ist es nicht immer üblich, dass der Notar umfassende rechtliche Beratung anbietet und im Anschluss – wie hierzulande – komplexe und differenzierte Urkunden entwirft, ohne dass hierfür neben den regulär anfallenden Beurkundungskosten noch zusätzliche Gebühren entstehen. Zudem zeigt sich, dass das Sicherheitsniveau der Online-Verfahren erhebliche Unterschiede aufweisen kann. Etwa ist in anderen Jurisdiktionen die Identifikation der Beteiligten nicht zwangsläufig wie in Deutschland durch den Notar persönlich durchzuführen, sondern kann von Dienstleistern vorgenommen werden. Hinzu kommt, dass die Identifikation teilweise lediglich im Wege eines Video-Ident-Verfahrens durchgeführt wird. Die Nutzung dieses Verfahrens wurde in Deutschland wegen Sicherheitsbedenken jüngst Krankenkassen untersagt. Vor diesem Hintergrund kommt das Deutsche Notarinstitut in einem Gutachten Ende 2022 auch zu dem Ergebnis, dass eine in Österreich durchgeführte Online-Beglaubigung rechtlich nicht mit einer in Deutschland durchgeführten Beglaubigung gleichwertig ist. Infolgedessen besteht das Risiko, dass sie von Grundbuchämtern beziehungsweise Handelsregistern nicht anerkannt wird.

Fazit und Ausblick

Auch wenn eine noch dynamischere Ausweitung von notariellen Online-Verfahren auf den ersten Blick wünschenswert ist, so erscheint die besonnene Entwicklung vor dem geschilderten Hintergrund in einem anderen Licht. Das Online-Verfahren bewährt sich zudem aktuell anhand einfacher Sachverhalte und die Weichen für weitere Anwendungsfelder dieses Verfahrens im Gesellschaftsrecht sind bereits gestellt. Fest steht, dass die deutschen Notare sich zunehmend auf einem hohen Sicherheitsniveau digital ausrichten. Dies führt zu einem sehr hohen Maß an Rechtssicherheit und Verlässlichkeit der beurkundeten Erklärungen. Erst kürzlich wurde in einem weiteren Schritt das notarielle Urkundenverzeichnis digitalisiert und ein elektronisches Urkundenarchiv geschaffen, in dem sämtliche Urkunden 100 Jahre in digitaler Form aufbewahrt werden. Einem aktuellen Gesetzgebungsverfahren zufolge soll bereits ab 2025 die Möglichkeit bestehen, auch im Präsenzverfahren vor Ort mit vollständig digitalen Urkunden zu arbeiten. Das Dokument kann dann von einem Bildschirm abgelesen und bei Bedarf direkt angepasst werden. Das Verlesen einer ausgedruckten Papierurkunde sowie Medienbrüche in der weiteren Abwicklung können damit entfallen.

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Zum Autor

SK
Steffen König

Notar in Berlin

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