KI in der Steuerberatung - 29. August 2024

Datenschutz und ChatGPT, geht das?

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz kann die Effizienz und Genauigkeit bei der Datenverarbeitung erheblich steigern. Gleichzeitig wirft der Umgang mit sensiblen Mandantendaten dringende Fragen zum Datenschutz auf. Wir sprachen darüber mit den beiden DATEV-Mitarbeitern Dr. Matthias Blank, Steuerberater, Informatiker und KI-Experte, sowie Peter Menneke, zertifizierter IT-Risk-Manager und Datenschutzberater.

Das Interview führten Martina Mendel und Birgit Schnee

DATEV magazin: Welche Rolle kann ChatGPT in Steuerberatungskanzleien übernehmen?
DR. MATTHIAS BLANK: Mit der rasanten Entwicklung von künstlicher Intelligenz und fortschrittlichen Sprachmodellen wie ChatGPT eröffnen sich für Steuerberatungskanzleien völlig neue Möglichkeiten. Von der automatisierten Bearbeitung wiederkehrender Aufgaben bis zur Unterstützung bei komplexen steuerrechtlichen Fragestellungen kann ChatGPT eine wertvolle Ergänzung im Kanzleialltag sein.

Sie sind häufig vor Ort in Kanzleien. Wie erleben Sie dort den praktischen Einsatz von ChatGPT?
DR. MATTHIAS BLANK: Viele Kanzleien nutzen ChatGPT für einfache Schreibarbeiten. Beispielsweise lassen sie sich von ChatGPT bei Stellenausschreibungen, Anschreiben an Mandanten oder einfachen E-Mails unterstützen. Das Tool kann aber auch vorformulierte E-Mails überarbeiten, indem man ChatGPT spezifische Anforderungen vorgibt, wie etwa „Formuliere die E-Mail bitte kürzer“, „… ausführlicher“ oder „… in einem sachlicheren Stil und ohne Rechtschreibfehler“. Auf diese Weise dient ChatGPT als Assistent. Das spart Zeit und steigert die Effizienz.

Lassen sich Sprachmodelle wie ChatGPT auch für steuerliche Sachverhalte verwenden?
DR. MATTHIAS BLANK: Grundsätzlich ja. Allerdings ist die Qualität der Ergebnisse in der Regel nicht ausreichend, um eine professionelle Beratung auf Basis dieser Antworten durchzuführen. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, wie ChatGPT steuerlich zutreffende Inhalte liefern kann. Zum Beispiel kann man – immer unter Berücksichtigung der urheberrechtlichen und datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen – Texte oder Fachinformationen in ChatGPT eingeben und sie in einen Text, wie etwa einen Einspruch, umformulieren lassen. Eine Möglichkeit, ChatGPT mit angereicherten steuerlichen Daten zu verwenden, findet sich in der DATEV KI-Werkstatt. Hier bietet beispielsweise der „Frag LEA“-Assistent fachlich qualifizierte Antworten auf Basis von LEXinform-Dokumenten, die direkt verifiziert und für tiefere Recherchen genutzt werden können. Auf diese Weise kann ChatGPT auch in der steuerlichen Praxis wertvolle Unterstützung bieten.

Sie sprechen die DATEV KI-Werkstatt an. Wie kann sie bei ChatGPT unterstützen?
PETER MENNEKE: Die DATEV KI-Werkstatt bietet einen niederschwelligen Einstieg, um die Möglichkeiten generativer KI anhand von Prototypen zu testen. Mit DATEV-GPT werden die Grundfunktionalitäten der GPT-Technologie zur Verfügung gestellt. Das heißt, Mitglieder, die das Tool erst einmal spielerisch testen wollen, können in der KI-Werkstatt Eingaben ausprobieren, sogenannte Prompts. Und das in einer sicheren und geschützten Umgebung. Auch wenn die Daten dort nicht zu Trainingszwecken genutzt und auf DATEV-eigenen Servern verarbeitet werden, sollten natürlich auch in der KI-Werkstatt keine personenbezogenen Daten eingegeben werden.

Da sind wir beim Thema Datenschutz. Wie lässt sich der Einsatz dieser Technologie mit den strengen Anforderungen an Datenschutz und Mandantensicherheit vereinbaren?
PETER MENNEKE: Der Datenschutz ist in der Mandatsbetreuung existenziell für Steuerberater. Es ist also wichtig, personenbezogene Daten zu anonymisieren und sicherzustellen, dass der Chatbot nur die Informationen verarbeitet, die für die Beantwortung der Fragen erforderlich sind. Schulungen und Trainings für die Nutzer sind wichtig, um sicherzustellen, dass sie wissen, wie sie einen Chatbot richtig nutzen und interpretieren können. Die Fragen sind: Was darf ich? Wie frage ich? Ist das Ergebnis plausibel? Weniger ist hier mehr. Je weniger Daten ich einsetze, desto besser.

Welche weiteren rechtlichen Aspekte sind zu beachten?
PETER MENNEKE: Bei der Verwendung von ChatGPT in steuerrechtlichen Fragen sollte man sich bewusst sein, dass es lediglich ein Vorschlagsinstrument ist und nicht als alleinige Rechtsquelle dienen sollte. Zudem sollte man das Urheberrecht beachten. Da sind zwar momentan noch einige Fragen offen. Es wird aber erwartet, dass sich die Rechtsprechung in diesem Bereich in Zukunft weiterentwickeln wird, wie beispielsweise durch den Open AI Act der EU. Wir empfehlen daher, keine Elemente hochzuladen oder zu verwenden, deren Herkunft man nicht kennt. Anderenfalls könnte sich das bei einer verschärften Gesetzgebung in ein paar Jahren als Nachteil herausstellen.

Häufig wird über Halluzination der Sprachmodelle gesprochen. Was ist darunter zu verstehen?
DR. MATTHIAS BLANK: Unter Halluzinationen bei Sprachmodellen versteht man das Phänomen, dass KI-Systeme wie ChatGPT plausible, aber inhaltlich falsche oder ungenaue Informationen generieren. Dies kann insbesondere im Steuerrecht häufig vorkommen, da solche Modelle nicht explizit auf das deutsche Steuerrecht trainiert sind und daher oft nur oberflächliches Wissen darüber besitzen. Bei komplexeren Anfragen erfinden die Sprachmodelle schließlich ihre Antwort. Daher ist es wichtig, dass jede Antwort von einem steuerlichen Experten verifiziert wird, um eine hohe Beratungsqualität sicherzustellen. Dieses Phänomen der Halluzination verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung und Validierung der von KI generierten Inhalte, besonders in spezialisierten und komplexen Fachgebieten.

MEHR DAZU

finden Sie unter www.datev.de/ki

Um unsere Mitglieder so gut wie möglich auf den Einsatz von ChatGPT im Kanzleialltag vorzubereiten, bieten Dr. Matthias Blank und Peter Menneke ein Online-Seminar an. Dabei behandeln sie unter anderem den Einsatz von ChatGPT für administrative Tätigkeiten und steuerliche Sachverhalte in der Steuerberatungskanzlei. Ein weiterer Schwerpunkt sind datenschutzrechtliche Aspekte für den Einsatz von KI und speziell ChatGPT.

Online-Seminar „Generative KI einsetzen – ChatGPT im DATEV-Kanzleialltag“

Präsenzseminar „Datenschutz aktuell 2024 – die Datenschutz-Grundverordnung in der Praxis“

DATEV Info online „(Generative) KI bei DATEV – ein Überblick“

Lernvideo „Generative KI verstehen – Grundlagen einfach erklärt“

Online-Seminar „Generative KI sicher verwenden – rechtlicher Handlungsrahmen für Steuerberater“

Zu den Autoren

Martina Mendel

Redaktion DATEV magazin

Weitere Artikel der Autorin
Birgit Schnee

Redaktion DATEV magazin

Weitere Artikel der Autorin