Die Digitalisierung hat Auswirkungen auf betriebliche Abläufe und unternehmerische Geschäftsmodelle. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Bilanzen von Unternehmen? Mögliche Ansätze zur betriebswirtschaftlichen Beratung.
Technologische Entwicklungen ermöglichen andere Fertigungstiefen oder Portfoliobreiten und schlagen sich seit jeher in Unternehmensbilanzen nieder. Edelstahlwasserräder in Mühlen, Solarpaneele auf dem Hallendach – so werden zum Beispiel Handwerksbetriebe zu Energieerzeugern und erzielen Erträge aus der Netzeinspeisung. Die Einzelpositionen einer Unternehmensbilanz sind meist branchenspezifisch, im Einzelfall aber vom Management geprägt. Technologische Entwicklungen bieten dabei aus kaufmännischer Sicht sowohl Herausforderungen als auch Handlungsoptionen.
Vermögens- und Finanzlage sollen dabei stets ausbalanciert sein. Working-Capital-Management gleicht kurzfristige Schulden mit kurzfristigen Vermögenswerten aus. Liquiditätsmanagement zielt auf jederzeit ausreichende flüssige Mittel ab. Eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik balanciert Anlagevermögen, Eigenkapital und langfristiges Fremdkapital aus.
Additive Fertigungsverfahren: weniger Vorräte
Wie bedeutsam beispielsweise die Bilanzposition der Vorräte im Umlaufvermögen ist, zeigt ein Blick in die jüngere Unternehmensgeschichte. In diesem Jahr jährt sich die Insolvenz der Firma Quelle zum zehnten Mal. Für viele Arbeitnehmer in der Region hatte dieses Ereignis enorme Konsequenzen. Und nicht nur in Form der – nach dem Berliner Flughafen Tempelhof – zweitgrößten leer stehenden Gewerbeimmobilie Deutschlands wirkt es bis heute nach. Während der Insolvenz bedurfte es eines eigenen Massekredits, um den Druck des letzten Warenkatalogs zu bezahlen, denn die Lager von Quelle standen voll unverkaufter Ware. Der Abverkauf blieb dennoch weit unter den Erwartungen.
Herkömmliche Produktionsmethoden erfordern viele Zwischen-, Endprodukte- und Abfalllager. Bei additiven Verfahren entsteht das Endprodukt direkt aus dem Rohmaterial. Darüber hinaus wird auf Bestellung und individuell produziert. Vorratshaltung entfällt weitgehend. Dadurch vermindert sich die Position der Vorräte.
Sharing Economy: weniger Anlagevermögen
Produzierende Unternehmen müssen digital gesteuerte Maschinen wie 3-D-Drucker nicht einmal mehr besitzen. In Zeiten von Sharing Economy genügt der Zugang zu diesen Geräten über digitalen Datenaustausch, um derartige Anlagen zu nutzen. Der Druckauftrag wird an den 3-D-Drucker gesendet, der über freie Kapazitäten verfügt und sich geografisch in der Nähe des Kunden befindet.
Dadurch reduzieren sich nicht nur Transportkosten, sondern auch ein weiterer wesentlicher Bilanzbestandteil: das Anlagevermögen. Statt in neue Anlagen zu investieren, wird notwendige Hardware geteilt. Digitale Geschäftsmodelle kommen daher ohne bedeutendes Anlagevermögen aus.
Blockchain: Cash sofort
Die Blockchain ermöglicht vielfältige Nutzungen. Hier ist von Interesse, dass sie fälschungssichere, nicht revidierbare Transaktionsabfolgen erlaubt. Damit hat sie das Potenzial, den Zahlungsverkehr selbst zu revolutionieren. Wird dieser technisch auf der Basis der Blockchain abgewickelt, handelt es sich kaufmännisch gesehen um Zug-um-Zug-Geschäfte.
Das bedeutet: Wird die Zahlung über die Blockchain-Technologie abgewickelt, zahlt der Kunde effektiv sofort. Auch das Unternehmen selbst bezahlt dann seine Lieferanten sofort. Lange Cash-2-Cash-Laufzeiten in der Lieferkette aufgrund von sogenannten Zahlungsvereinbarungen auf Ziel entfallen. Somit reduzieren sich für das Unternehmen die Bilanzpositionen der Forderungen und Verbindlichkeiten jeweils aus Lieferungen und Leistungen. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Finanzlage, denn Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sind Teil des Fremdkapitals des Unternehmens. Reduzieren sich nun Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. aufgrund der Zahlungsverkehrstechnologie, sinken Vermögenswerte und Schulden gleichermaßen – die Bilanz wird quasi kürzer.
Bedarf an Fremdkapital schwindet
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Die Reduzierung der anderen Vermögenswerte – aufgrund von additiven Herstellungsverfahren und sharing economy – wirkt sich ebenfalls auf den Finanzbedarf des Unternehmens aus. Denn die Positionen der Vorräte und des Anlagevermögens sind wesentliche Treiber für die Aufnahme von kurzfristigen und langfristigen Bankkrediten, also Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten.
Es liegt auf der Hand, dass in dem Maße, in dem Vorräte und Anlagevermögen reduziert oder obsolet werden, der Bedarf an Fremdkapital schwindet. Deshalb ist hier eine weitere Bilanzverkürzung zu erwarten: Die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sinken so, wie Anlage- und Umlaufvermögen abschmelzen.
Besteht am Ende die Bilanz eines digitalisierten Unternehmens nur noch aus flüssigen Mitteln auf der Aktivseite und Eigenkapital auf der Passivseite? Falls ja, fragt sich, inwieweit eine derart leere Bilanz noch aussagekräftig im Sinne der einschlägigen Rechtsvorschriften ist.
Kompetente betriebswirtschaftliche Beratung wird jedoch stets darauf achten, das beratene Unternehmen kaufmännisch zu optimieren und dabei technologische Trends aktiv aufzugreifen. Das Programm DATEV Unternehmensanalyse im Paket Wirtschaftsberatung classic ist geeignet, Bilanzstrukturen und ihre Veränderungen zu untersuchen. Das im Programm enthaltene Analysecockpit bietet auch Branchenwerte für den Benchmark-Vergleich. Das beratene Unternehmen kann sich so hinsichtlich des Einsatzes neuer Technologien positionieren. Unternehmen sollten vor allem für ausreichend flüssige Mittel sorgen, denn eine vom Lieferanten erzwungene Umstellung des Zahlungsverkehrs auf Blockchain-Basis führt zunächst zu einer sofortigen außerplanmäßigen Beanspruchung der Liquidität. Hier helfen der DATEV Controllingreport comfort und das DATEV Tool Liquiditätsvorschau.
Fotos: GaryTalton; Okea; ugurhan / Getty Images
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