Perspektive - 30. Mai 2024

Rosige Aussichten

Die Nachrichten rund um den Berufsstand sind nicht immer gut. Die Chancen für steuerliche Berater sowie solche, die es werden wollen, sind aber umso besser.

In der öffentlichen Wahrnehmung wirken Steuerberaterinnen und Steuerberater häufig überlastet, überaltert und überfordert. Kanzleien werden aktuell von Nachwuchskräften nicht gerade überschwemmt und beim unaufhaltsamen Einzug künstlicher Intelligenz stellen sich viele die Frage, ob sich der steuerberatende Beruf überhaupt noch lohnt. Auf der anderen Seite wird die Welt um uns herum zunehmend komplexer. Fortschreitende Globalisierung, ein steigender Digitalisierungsgrad und wachsende geopolitische Herausforderungen treffen auch in Zukunft auf einen immer höheren Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte. Und weil die Welt um uns herum nicht einfacher wird, werden auch die gesetzgeberischen Maßnahmen zur Sicherung und Ausweitung des Steueraufkommens ebenso wie deren Umsetzung durch die Steuerpflichtigen zukünftig nicht leichter. Aktuelle Beispiele sind die neue Weltsteuerordnung Pillar Two oder die Initiative VAT in the Digital Age (ViDA) der Europäischen Union (EU) mit dem Vorboten der verpflichtenden Einführung einer E-Rechnung in Deutschland zum 1. Januar 2025.

Notwendige Neuregelungen

Beides sind sinnvolle gesetzliche Regelungen zur Sicherung des Steuersubstrats, die perspektivisch auch den Standort Deutschland stärken werden. Beide Regelungen führen aber in ihrer Umsetzung aufseiten der Steuerpflichtigen, zumindest hinsichtlich ViDA und der Einführung der E-Rechnung – unabhängig davon, ob es sich um Soloselbstständige oder DAXKonzerne handelt –, zunächst zu zahlreichen steuerrechtlichen wie praktischen Fragen. Hier können sich Steuerberater bewähren, wenn und soweit sie nicht nur unspezifisch Wissen replizieren. Noch mehr als heute wird es zukünftig entscheidend sein, neben fachlicher Exzellenz und persönlicher Erfahrung auch durch die tiefe Kenntnis der Geschäftsmodelle der Mandanten einen echten Mehrwert zu bieten, um auch die praktische Umsetzung von neuen steuerlichen Anforderungen begleiten zu können.

Kompetente Berater sind gefragt

An grundsätzlicher Nachfrage nach qualifizierter Beratung sollte daher angesichts dieser Rahmenbedingungen auch zukünftig kein Mangel bestehen, zumal der steigende Beratungsbedarf auf ein rückläufiges Angebot trifft. Über 30 Prozent der Steuerberater sind gemäß Berufsstatistik der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) zum 1. Januar 2023 über 60 Jahre alt, nur 2 Prozent hingegen jünger als 30 Jahre. Dies senkt die Markteintrittshürden, gerade für junge Steuerberater, und lässt infolge der großen Anzahl an im Rahmen von Nachfolgeregelungen zu übertragenden Kanzleien deren Preise fallen. Gleichzeitig haben Unternehmen und vor allem größere Steuerberatungsgesellschaften einen immer höheren Bedarf an Experten mit steuerlichem Wissen. Daraus resultiert nicht nur eine faktische Beschäftigungsgarantie, sondern auch die ohnehin schon guten Verdienstchancen werden weiter gesteigert. In Kombination bietet sich eine zuversichtlich stimmende ökonomische Basis. Hierauf aufbauend lassen sich unterschiedlichste persönliche Neigungen und Interessen innerhalb des steuerberatenden Berufs umsetzen und auch zeitlich wie örtlich gut mit dem eigenen Lebensmodell kombinieren.

Einzelberater oder Syndikus

In einer Einzelkanzlei obliegt dem Steuerberater die volle unternehmerische Verantwortung mit allen hieraus resultierenden Chancen. Es ergibt sich insbesondere die Möglichkeit einer generalistischen Betreuung von Mandaten zu steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen. Als Syndikus können steuerliche Berater ihr fachliches Wissen direkt in die unternehmerischen Prozesse und Entscheidungen einbringen und übernehmen gerade auch im Bereich des steuerlichen Risikomanagements eine entscheidende Funktion. Je nach Größe des Unternehmens und eigener Position kann der Syndikus zu einem der wichtigsten Berater der Unternehmensleitung werden.

Spezialisierung

Nahezu unendliche Möglichkeiten der Spezialisierung und Differenzierung im steuerlichen Bereich bestehen in den Teams der großen Steuerberatungsgesellschaften. Dies reicht von fachlichen Spezialisierungen in Steuerarten wie Lohnsteuer oder Erbschaftsteuer über Branchenspezialisierungen auf etwa den Anlagenbau oder Energieversorger bis zu höherer Spezialisierung. Dies kann beispielsweise die schwerpunktmäßige Beratung zu konzerninternen Finanzierungen aus Verrechnungspreissicht oder die Allokation von Vorsteuerbeträgen bei nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen sein. Daneben bieten gerade die Megatrends, wie etwa Globalisierung und Digitalisierung, die zu der oben beschriebenen Komplexität führen, aktuell besondere Optionen für Steuerberater.

Globalisierung und Digitalisierung

Die Anforderungen der Globalisierung stemmt eher ein steuerlicher Berater, der im Rahmen eines Secondments zu einem ausländischen Büro einer global tätigen Steuerberatungsgesellschaft selbst entsprechende Erfahrungen sammeln konnte oder infolge des täglichen Kontakts mit den internationalen Kollegen ein tiefes Verständnis für die jeweiligen rechtlichen wie kulturellen Besonderheiten in die Beratung einbringen kann. Hierdurch können Mandanten häufig um Herausforderungen navigiert werden, die aus rein nationaler Sicht initial gar nicht erkennbar sind. Darüber hinaus können Chancen, wie etwa die steuerliche Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, rechtzeitig in die Investitionsplanung der Mandanten integriert werden. In der Digitalisierung besteht bei Kanzleien wie Unternehmen noch ein hohes Maß an Heterogenität, zumal der steuerberatende Beruf nicht zwingend mit ausgeprägter IT-Kompetenz assoziiert wird. Dies muss und wird sich aber schnell ändern. Mandanten erwarten zu Recht, dass gerade repetitive und kognitiv weniger herausfordernde Leistungen, wie zum Beispiel massenhafte Bescheidprüfungen nach erfolgter Gewerbesteuerzerlegung oder Ersteinschätzungen zu lohnsteuerlichen Implikationen von regelmäßig vorkommenden Betriebsveranstaltungen, zukünftig weitgehend automatisiert und damit – bei gleichbleibend hoher Qualität – schneller und kostengünstiger erbracht werden. Um entsprechende Lösungen an die individuellen Mandantenbedürfnisse anpassen zu können, etablieren sich derzeit viele neue Tätigkeitsfelder, die steuerliches wie prozessuales Wissen und Interesse an der Digitalisierung erfordern.

Fazit und Ausblick

Dies wiederum löst Herausforderungen, die sich daraus ergeben, dass zunehmender Beratungsbedarf auf einen nicht entsprechend steigenden Bewerberpool trifft. Effiziente digitale Lösungen werden die steuerlichen Berater von ohnehin ungeliebten Routineaufgaben befreien und Freiräume für die individuelle Beratung der Mandanten schaffen. Denn letztlich ist zwar ein gewisses Maß an Administration berufsimmanent, aber wirkliche Freude bereitet es vor allem, Menschen und Mandanten gemeinsam mit Kollegen bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen steuerlich zu unterstützen und zu begleiten. Und dass diese Herausforderungen sich stetig verändern und inhaltlich anspruchsvoll sind, ist ein riesiges Plus.

Zum Autor

JS
Jürgen Scholz

Steuerberater, Partner und Mitglied des Vorstands bei WTS am Standort Düsseldorf

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