Konzerninterne Transaktionen - 29. August 2024

Steuerlich komplex

Die Komplexität und Streitanfälligkeit von Finanztransaktionen innerhalb eines Konzerns ist ein Bereich, der durch das deutlich gestiegene Zinsniveau sowie die aktuelle Rechtsprechung und Gesetzesänderungen stärker in den Fokus gerückt ist.

Konzerninterne Finanztransaktionen stehen häufig im Mittelpunkt steuerlicher Außenprüfungen. Diese Transaktionen sind oft komplex und von subjektiven Bewertungen geprägt, was sie anfällig für rechtliche Auseinandersetzungen macht.

Streitanfälligkeit

Ein Schlüsselaspekt bei konzerninternen Finanztransaktionen ist, ob die Vereinbarung inklusive der Verzinsung dem Fremdvergleich gemäß § 1 Abs. 1 Außensteuergesetz (AStG) entspricht. Die Grundlagen für diese Auseinandersetzung sind vielfältig und in den letzten Jahren einem stetigen Wandel unterworfen. Zu nennen sind insbesondere das Kapitel der OECD-Verrechnungspreisleitlinien (OECD-GL) zu Finanztransaktionen (finalisiert 2020, seit 2022 Kapitel X der OECD-GL), Kapitel J der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2021 und 2023 (VWG VP) sowie eine Vielzahl von Entscheidungen der Finanzgerichte, des Bundesfinanzhofs (BFH) (zuletzt I R 4/17 und I R 62/17 vom 18.05.2021, I R 32/17 vom 09.06.2021, I R 15/21 vom 13.01.2023) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (etwa 2 BvR 1161/19 vom 04.03.2021, 2 BvR 1079/20 vom 08.11.2023).
Mit dem vom Bundesrat am 22. März 2024 verabschiedeten Wachstumschancengesetz wurden in § 1 Abs. 3d/e AStG Regelungen zur Konkretisierung des Fremdvergleichs für konzerninterne Finanztransaktionen eingeführt. Diese betreffen die Begrenzung des Zinsabzugs und die Qualifizierung der Vermittlung beziehungsweise Weiterleitung von Finanzmitteln als grundsätzlich funktions- und risikolose Dienstleistungen. Die Regelungen sind ab dem Veranlagungszeitraum 2024 anwendbar. Hinzu kommen bei Finanztransaktionen im Konzern die unterschiedlichen nationalen Regelungen und Auslegungen. Daher müssen sich Konzerne hinsichtlich ihrer grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen mit einer Vielzahl von steuerrechtlichen Regelungen und Präzedenzfällen auseinandersetzen, was die Komplexität weiter erhöht. Diese breite rechtliche Diskussionsgrundlage führt regelmäßig zu einem Aufgreifen der Finanztransaktionen in steuerlichen Außenprüfungen. Klassische Diskussionsthemen sind:

  • Umqualifizierung der Finanzierung in Eigenkapital. Dies betrifft die Frage, ob das Darlehen voraussichtlich bedient und zurückgezahlt werden kann und ob es für die Geschäftstätigkeit des Darlehensnehmers benötigt wird (wirtschaftliche Notwendigkeit).
  • Methodenwahl, also die Frage der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode. Dies betrifft vor allem die Anwendbarkeit der Preisvergleichs- sowie der Kostenaufschlagsmethode; aber auch den Margenteilungsgrundsatz im BFH-Urteil vom 1. Februar 2023 (I R 27/20).
  • Fehlende Besicherung und deren rechtliche Konsequenzen (Per se fremdunüblich? Erhöhung des Zinssatzes?)
  • Bestimmung der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers (Einzel- oder Gruppenrating?)
  • Beweislastfragen und das Verhältnis von § 1 AStG zur verdeckten Gewinnausschüttung als Korrekturvorschrift

Diese rechtliche Unsicherheit und diese breite Themenpalette treffen aktuell auf massiv geänderte Rahmenbedingungen.

Diagramm zum Zinssatz der EZB für Hauptrefinanzierungsgeschäfte Stand am Monatsende / SU0202

Inflation und gestiegenes Zinsniveau

2020 und 2021 stieg die Inflation unter anderem in den USA, der Europäischen Union (EU) und Japan sprunghaft an. Auslöser waren das Zusammentreffen von pandemiebedingten wirtschaftlichen Unsicherheiten, anhaltenden Lieferkettenstörungen sowie geopolitischen Spannungen. Die Inflation wird durch verschiedene Faktoren wie steigende Rohstoffpreise, Lohnwachstum oder erhöhte Nachfrage weiter getrieben und durch wirtschaftspolitische Entscheidungen verstärkt.
Um die Inflation zu bekämpfen und die Wirtschaft zu stabilisieren, haben Zentralbanken weltweit begonnen, die Leitzinsen anzuheben, was die globale Zinslandschaft seit dem Jahr 2022 grundlegend verändert. Über viele Jahre befanden sich die Zinssätze weltweit auf einem historischen Tiefstand. Einige Zentralbanken, darunter auch die Europäische Zentralbank (EZB), setzten sogar auf negative Zinssätze.
Die Zinserhöhungen der Zentralbanken beeinflussen nicht nur die erwartete Rendite für Sparerinnen und Investoren, sondern auch die Konditionen, zu denen Unternehmen und Privatpersonen Kredite aufnehmen können. Das hat direkte Auswirkungen auf die Preisgestaltung konzerninterner Finanztransaktionen. Die Dauer von Zins-Peaks hängt von zahlreichen Faktoren ab, einschließlich der Effektivität der geldpolitischen Maßnahmen, der Entwicklung der Inflationsraten und der globalen Wirtschaftsdynamik. Zins-Peaks können mehrere Monate bis zu einigen Jahren dauern, abhängig von der Reaktion der Wirtschaft auf diese Maßnahmen, den sich ändernden wirtschaftlichen Bedingungen und den politischen Entscheidungen in den jeweiligen Ländern. Die Zinsentwicklungen sind daher schwer vorherzusagen.

Diagramm zum HVPI und VPI für sämtliche Waren und Dienstleistungen, Entwicklung der durchschnittlichen jährlichen Inflationsraten 2014-2023

Handlungsansatz

Die neueren BFH-Urteile zu konzerninternen Finanztransaktionen heben die Bedeutung der Umstände des Einzelfalls hervor, einschließlich der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers und der Sicherheiten. Die VWG VP 2023 (Rdz. 3.128) beziehen bei der Frage der Besicherung auch Handlungsalternativen ein. Die Neuregelung in § 1 Abs. 3d/e AStG weicht teilweise von der Rechtsprechung und den OECD-GL ab und enthält zahlreiche undefinierte Rechtsbegriffe, sodass die Diskussionen zur Auslegung bereits begonnen haben. Dies verdeutlicht, dass die Beurteilung konzerninterner Finanztransaktionen nicht statisch ist und eine detaillierte, fallbezogene Betrachtung erfordert. Daher sollten die Steuerpflichtigen ihre konzerninternen (Finanz-) Transaktionen sowie die entsprechenden Verträge und gegebenenfalls Richtlinien regelmäßig auf ihre Aktualität und Konformität mit den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überprüfen.

Abgrenzung zum Eigenkapital

Bei der Beurteilung konzerninterner Finanztransaktionen ist die Abgrenzung zur Gewährung von Eigenkapital ein entscheidender Aspekt, um die steuerliche Anerkennung dem Grunde nach sicherzustellen. Dies bekräftigt § 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 1 AStG, wonach der Steuerpflichtige glaubhaft machen muss, dass er den Kapitaldienst (Zins und eventuell Tilgung) für die gesamte Laufzeit von Anfang an hätte erbringen können (Schuldentragfähigkeit), dass er die Finanzierung wirtschaftlich benötigt (positive Renditeerwartung) und diese dem Unternehmenszweck dient (Mittelverwendung). Die beteiligten Konzerngesellschaften sollten diese Aspekte sorgfältig prüfen und dokumentieren. Dies betrifft nicht nur den Zeitpunkt der Finanzierung, sondern im Verlauf auch deren Beibehaltung.

Kreditwürdigkeit

Bei der Bewertung konzerninterner Finanztransaktionen ist die Kreditwürdigkeit der empfangenden Gesellschaft ein grundlegender Aspekt. Bei deren Beurteilung gehen die OECD-GL grundsätzlich vom Einzelrating aus (Tz. 10.81 f.), was auch der BFH-Rechtsprechung (I R 4/17) entspricht. Demgegenüber stellt § 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 2 AStG grundsätzlich auf das Gruppenrating ab, lässt aber den Nachweis zu, dass ein aus dem Gruppenrating abgeleitetes Rating dem Fremdvergleich entspricht. Aufgrund des unterschiedlichen Ansatzes sowie der Angemessenheitsprüfung bei Darlehensnehmer und -geber sollten bei der Zinsbestimmung beide Alternativen betrachtet werden. Ratingagenturen wie S & P Global Ratings stellen Tools zur Verfügung, mit denen das Rating einzelner Gesellschaften, Geschäftsbereiche oder des gesamten Konzerns ermittelt werden kann. Konzerne sollten nicht nur bei der Vergabe der Finanzierungen, sondern auch bei einer Änderung der allgemeinen Rahmenbedingungen, der wirtschaftlichen Lage des Darlehensnehmers oder des Konzerns die Kreditwürdigkeit prüfen und Änderungsmöglichkeiten der Finanzierungen in Betracht ziehen. Die bei der konkreten Finanzierung zugrunde gelegten Annahmen sollten gut dokumentiert werden.

Liquiditätsplanung und Finanzierungen

Die Abstimmung der Liquiditätsplanung mit den konzerninternen Finanztransaktionen ist eine wesentliche Säule für die finanzielle Stabilität und Effizienz eines Konzerns. Die Liquiditätsplanung sollte dynamisch sein und regelmäßig an die sich ändernden Bedingungen angepasst werden. Oftmals empfehlenswert ist eine diversifizierte Finanzierungsstruktur, die unterschiedliche Finanzierungsquellen und -instrumente umfasst. Diese Struktur sollte sowohl kurzfristige Liquiditätsanforderungen als auch langfristige Finanzierungsziele berücksichtigen. Konzerninterne Finanzierungen sollten untereinander und mit Blick auf externe Finanzierungen konsistent sein. So können externe Finanzierungen als Grundlage bei Anwendung der Preisvergleichsmethode zum Angemessenheitsnachweis der konzerninternen Finanzierungen dienen. Wegen der Einzelfallbetrachtung jeder Finanzierung und der sich ändernden Rahmenbedingungen heißt Konsistenz jedoch nicht, alle konzerninternen Finanzierungen über Jahre zu denselben Konditionen abzuschließen.

Fazit

Die Streitanfälligkeit und die sich wandelnden Rahmenbedingungen erfordern ein hohes Maß an Sorgfalt in Bezug auf konzerninterne Finanztransaktionen. Die Praxis zeigt, dass deren steuerliche Anerkennung zunehmend von einer detaillierten und realistischen Beurteilung des konkreten Sachverhalts abhängt. In einer Welt zunehmender wirtschaftlicher und rechtlicher Unsicherheiten ist eine vorausschauende, gut informierte und flexible Finanzstrategie unerlässlich. Eine kontinuierliche Überprüfung, Anpassung und Dokumentation konzerninterner Finanztransaktionen ist nicht nur eine Frage der Compliance, sondern verbessert auch die Position des Steuerpflichtigen in der steuerlichen Außenprüfung und minimiert das Anpassungsrisiko.

Zu den Autoren

AR
Andreas Riedl

Partner bei der WTS Group in Frankfurt am Main. Seine fachlichen Schwerpunkte sind die Beratung bei Verrechnungspreisen, die Betreuung von Unternehmen bei steuerlichen Betriebsprüfungen sowie die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten.

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AG
Annette Gerlach

Rechtsanwältin, Steuerberaterin sowie Senior-Managerin bei WTS am Standort Frankfurt am Main

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