Verrechnungspreise - 24. August 2023

Verschärfte Dokumentationspflicht

Das Gesetz zur Umsetzung der sogenannten DAC-7-Richtlinie enthält auch Regelungen, die spürbare Auswirkungen auf die verfahrensrechtlichen Vorschriften im Bereich der Verrechnungspreise haben.

Durch die Neuregelung ändert sich ab dem Wirtschaftsjahr 2025 der zeitliche und inhaltliche Anspruch an die Vorlage der Verrechnungspreisdokumentation. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bedeutet dies, dass sie sich in Zukunft zwingend schon im Vorfeld einer steuerlichen Betriebsprüfung vorbereiten müssen. Ansonsten laufen sie bei verspäteter Abgabe Gefahr, dass schon während der Betriebsprüfung die zusätzlich neu geschaffene Möglichkeit genutzt wird, Verspätungszuschläge festzusetzen.

Dokumentationspflichten in Deutschland

Als Verrechnungspreis wird der Preis bezeichnet, der zwischen Gesellschaften eines Konzerns für innerbetrieblich ausgetauschte Güter und Dienstleistungen (Warenlieferungen, Lizenzen, Darlehen oder Managementleistungen) verrechnet wird. Die Besonderheit von Verrechnungspreisen besteht darin, dass sie sich nicht auf einem Markt durch das Kräftespiel zwischen Angebot und Nachfrage bilden. Daher haben sie das Potenzial, Gewinne in Konzerngesellschaften zu verlagern, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Vor diesem Hintergrund wurden auf nationaler und internationaler Ebene Regelungen eingeführt, die sicherstellen sollen, dass die konzerninternen grenzüberschreitenden Verrechnungspreise wirtschaftlich dem entsprechen, was voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (sogenannter Fremdvergleichsgrundsatz). Diese Preisermittlung ist vom Steuerpflichtigen zu dokumentieren und den Finanzbehörden gegenüber offenzulegen. Die entsprechenden Regelungen finden sich in Deutschland in § 90 Abs. 3 und 4 Abgabenordnung (AO) n. F., in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung (GAufzV) und in Ziff. 1.3 der Verwaltungsgrundsätze 2020 Die Dokumentation der laufenden Transaktionen besteht grundsätzlich aus einer landesspezifischen unternehmensbezogenen Dokumentation (Local File) und aus der Stammdokumentation (Master File). KMU müssen kein Master File erstellen, wenn ihr Umsatz unter 100 Millionen Euro liegt. Ob sie formal ein Local File erstellen müssen, richtet sich nach der Summe der Umsätze aller deutschen mit ausländischen Konzerngesellschaften. Sofern diese Lieferumsätze unter 6 Millionen Euro und die sonstigen Umsätze unter 600.000 Euro liegen, genügen Aufzeichnungen, welche die konzerninternen grenzüberschreitenden Transaktionen sowie die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes nachvollziehbar darstellen (§ 6 GAufzV). Unter die Aufzeichnungspflicht fallen unabhängig von der formalen Form auch Transaktionen mit kleinen Transaktionsvolumina. Entgegen der expliziten Empfehlung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in 5.32 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien gibt es in Deutschland keine transaktionsbezogenen Wesentlichkeitsschwellen. Neben der Dokumentationspflicht für laufende Transaktionen sind außergewöhnliche Geschäftsvorfälle gesondert zu dokumentieren. Hierunter fällt nicht nur die Dokumentation von Funktionsverlagerungen, sondern gemäß § 3 GAufzV etwa auch der Abschluss oder die Änderung langfristiger Verträge, die sich erheblich auf die Höhe der Einkünfte des Steuerpflichtigen auswirken.

Vorlagepflichten und Änderungen

Die Gesetzesänderung in § 90 Abs. 3 und 4 AO verkürzt die Vorlagefristen und erweitert den Umfang der vom Steuerpflichtigen unaufgefordert vorzulegenden Dokumentationen. Bisher war der Steuerpflichtige verpflichtet, die Verrechnungspreisdokumentationen (Master File, Local File und die Dokumentation außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle) nach Anforderung vorzulegen. Die Anforderung sollte im Regelfall nur im Rahmen einer Betriebsprüfung erfolgen. Zukünftig können die Dokumentationen jederzeit angefordert werden. Im Falle einer Betriebsprüfung sind sie in Zukunft ohne separate Anforderung vorzulegen. Hierdurch verschiebt sich oft der Fristbeginn nach vorne. Die Frist selbst beginnt mit der Anforderung oder der Benachrichtigung über die Prüfungsanordnung und beträgt 30 Tage. Für die Vorlage von Local File und Master File bedeutet dies eine Halbierung der Vorlagefrist von bisher 60 Tagen.

Nach § 2 Abs. 6 GAufzV soll die Anforderung der Dokumentation die Geschäftsbereiche sowie die Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen bezeichnen, die Gegenstand der Betriebsprüfung sind, und Art und Umfang der angeforderten Aufzeichnungen detailliert festlegen. Dadurch bezieht sich das Vorlageverlangen nur auf die für die jeweilige Betriebsprüfung relevanten Teile der Dokumentationen. Nach dem Gesetzeswortlaut sind künftig alle Dokumentationen vollumfänglich bereits zu Beginn der Betriebsprüfung unaufgefordert vorzulegen. Mangels Anforderungserfordernis läuft die Regelung in § 2 Abs. 6 GAufzV daher in Zukunft bei einer Betriebsprüfung ins Leere.

Bisherige Praxis

In der Praxis haben viele Unternehmen Verrechnungspreisdokumentationen für größere Funktionsverlagerungen und für die wesentlichen laufenden Transaktionen erstellt. Diese umfassten häufig den gesamten künftigen Betriebsprüfungszeitraum in einem Dokument. Mit Blick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis wurden Transaktionen mit kleineren Volumina aufgrund selbst gesetzter Wesentlichkeitsschwellen im Local File nicht vollumfänglich dokumentiert. Dasselbe galt für kleinere vertragliche Änderungen, die aufgrund der unbestimmten Rechtsbegriffe bei der Definition des außergewöhnlichen Geschäftsvorfalls nicht als solcher identifiziert wurden. Dies stellte in der Praxis meist kein Problem dar. In den Unternehmen waren Unterlagen zu diesen Geschäftsvorfällen vorhanden. Durch das Erfordernis des konkretisierten Vorlageverlangens wurden die entsprechenden Unterlagen im Rahmen von Prüfungsanfragen angefordert und dem Steuerpflichtigen blieb Zeit, sie zusammenzustellen. Entsprechendes galt auch für KMU. Handelsbetriebe werden erst ab einem Umsatz von 8,6 Millionen Euro beziehungsweise einem steuerlichen Gewinn über 335.000 Euro durchgehend geprüft, während dies bei Fertigungsbetrieben ab einem Umsatz von 5,2 Millionen Euro beziehungsweise einem steuerlichen Gewinn über 300.000 Euro der Fall ist (BMF-Schreiben vom 13.04.2018); ab 2024 liegen diese Grenzen bei 14 Millionen Euro und 800.000 Euro für Handelsbetriebe sowie 12 Millionen Euro und 950.000 Euro für Fertigungsbetriebe (BMF-Schreiben vom 15.12.2022). Daher musste mangels Betriebsprüfung oft keine Dokumentation vorgelegt werden. Im Falle einer Prüfung genügten gemäß § 6 GAufzV häufig Aufzeichnungen, die nicht die formalen Voraussetzungen eines Local Files erfüllten. Dementsprechend wurden die konzerninternen grenzüberschreitenden Transaktionen nicht immer laufend und vollumfänglich dokumentiert, sondern die Informationen wurden nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung beziehungsweise einer entsprechenden Prüfungsanfrage zusammengestellt.

Auswirkungen auf die Praxis

Die voranstehend geschilderte Praxis wird durch die neuen Vorlagepflichten infrage gestellt. Durch die vollumfängliche Vorlagepflicht bei Beginn der Betriebsprüfung ohne konkrete Anforderung muss der Steuerpflichtige innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung Dokumentationen vorlegen, die alle konzerninternen grenzüberschreitenden Transaktionen abdecken. Dies beinhaltet auch Transaktionen mit geringen Volumina und kleinere Änderungen, die als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle qualifiziert sind. Für das Erstellen dieser vollumfänglichen Dokumentation ist die 30-Tage-Frist zu kurz. Die Möglichkeit, die Dokumentationen jederzeit anfordern zu können, soll nach der Gesetzesbegründung andere Verfahren effizienter machen. Die Gesetzesbegründung nennt als Beispiel das Vorabverständigungsverfahren (APA). Auch wenn dieses bei KMU weniger relevant ist, kann die Neuregelung auch bei KMU zur kurzfristigen Anforderung der Verrechnungspreisdokumentation führen, etwa bei Zollprüfungen, Ertragsteuer- oder Umsatzsteuerveranlagungen. Daher führt die Neuregelung für den Steuerpflichtigen faktisch zu einer zeitnahen (jährlichen) Dokumentationspflicht aller Verrechnungspreisaspekte. Dies betrifft auch KMU. Diese Pflicht wird durch die nachfolgend dargestellten Sanktionsregelungen unterstrichen.

Verschärfung der Sanktionsregelungen

Legt der Steuerpflichtige die Verrechnungspreisdokumentation nicht oder verspätet vor oder ist sie im Wesentlichen unverwertbar, können nach § 162 Abs. 4 AO Zuschläge festgesetzt werden. Der Verwertungszuschlag betrifft die Nichtvorlage oder Unverwertbarkeit und beträgt zwischen 5 und 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, mindestens aber 5.000 Euro. Der Verspätungszuschlag betrifft die verspätete Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen und beträgt bis zu 1 Million Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden Tag der Fristüberschreitung. Diese Regelungen sind unverändert. In der Praxis wird der Verspätungszuschlag pro Transaktion und pro Wirtschaftsjahr ermittelt, was bisher weniger praxisrelevant war. Die transaktionsbezogene Anforderung konkretisierte die Verpflichtung des Steuerpflichtigen und er hatte 60 Tage Zeit zur Vorlage. Durch die vollumfängliche Vorlagepflicht ohne Konkretisierung sowie die Kumulation der Verspätungszuschläge können in Zukunft nicht dokumentierte kleinere Transaktionen erhebliche Zahlungen auslösen. Neu ist eine Änderung des Festsetzungsverfahrens. Bisher wurden alle Zuschläge erst nach Abschluss der Betriebsprüfung festgesetzt. In Zukunft kann der Verspätungszuschlag bereits während der Betriebsprüfung in Teilbeträgen festgesetzt werden. Dies soll den Steuerpflichtigen nach der Gesetzesbegründung zu einer pünktlichen Erfüllung der Vorlagepflichten anhalten.

Anwendungszeitraum

Die dargestellten Neuregelungen gelten für Steuern, die nach dem 31. Dezember 2024 entstehen, und für vorher entstandene Steuern, wenn für diese nach dem 31. Dezember 2024 eine Betriebsprüfung angeordnet wird [Art. 97 / § 37 Abs. 2 und 3 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO)].

Fazit

Die dargestellten Änderungen führen zu einer erheblichen Verschärfung der Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise und zu zusätzlichen Sanktionen. Dies betrifft auch KMU. Diese sollten in Zukunft Prozesse implementieren, die eine zeitnahe Dokumentation der konzerninternen grenzüberschreitenden Transaktionen sicherstellen.

Zu den Autoren

AR
Andreas Riedl

Partner bei der WTS Group in Frankfurt am Main. Seine fachlichen Schwerpunkte sind die Beratung bei Verrechnungspreisen, die Betreuung von Unternehmen bei steuerlichen Betriebsprüfungen sowie die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten.

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AG
Annette Gerlach

Rechtsanwältin, Steuerberaterin sowie Senior-Managerin bei WTS am Standort Frankfurt am Main

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