Einkommensteuer - 30. September 2024

Der Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 EStG ist – trotz verfassungsrechtlicher Bedenken – mit dem Grundgesetz vereinbar

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2024 zum Gerichtsbescheid 1 K 37/23 vom 28.03.2024 (nrkr - BFH-Az.: III R 26/24)

Mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2024 (Az. 1 K 37/23) hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags gemäß § 32a Abs. 1 EStG für die Jahre 2023 und 2024 entschieden.

Die Kläger hatten sich gegen ihre Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide für die Jahre 2023 und 2024 gewandt und dabei vorgetragen, dass der bei der Berechnung berücksichtigte Grundfreibetrag – in seiner Gestalt nach dem Inflationsausgleichsgesetz – bereits in seiner absoluten Höhe verfassungswidrig sei, weil er die tatsächliche Entwicklung der Inflation nicht hinreichend berücksichtigt habe. Außerdem folge eine Verfassungswidrigkeit auch daraus, dass die Zuwendungen im Sozialhilferecht über dem Betrag lägen, den das Einkommensteuergesetz von einer Einkommensbesteuerung verschone. Dies verstoße gegen den Grundsatz, dass der Gesetzgeber das von ihm selbst definierte (sozialrechtliche) Existenzminimum auch im einkommensteuerlichen Grundfreibetrag berücksichtigen müsse.

Der 1. Senat wies die Klage ab, ohne das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Zwar bestünden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags; eine Vorlage zum Verfassungsgericht verlange aber eine „Überzeugung“ von der Verfassungswidrigkeit, die der Senat nicht habe. Die Zweifel rührten unter anderem daher, dass der Gesetzgeber bei der Berechnung des Grundfreibetrags für 2024 einen Regelbedarf berücksichtigt habe, der um 312 Euro (bezogen auf das Jahr) niedriger sei als der Regelbedarf, der im Sozialrecht gewährt würde. Selbst unter Berücksichtigung der Erhöhung des Grundfreibetrags zum Ausgleich der „kalten Progression“ um weitere 132 Euro, werde im Steuerrecht so ein um (312 abzüglich 132 =) 180 Euro jährlich (15 Euro monatlich) geringerer Regelbedarf zugrunde gelegt als im Sozialrecht. Aufgrund des vom BVerfG gewährten Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers führe diese Abweichung jedoch (noch) nicht dazu, dass der Senat von der Verfassungswidrigkeit „überzeugt“ sei.

Gegen die Entscheidung wurde die im Gerichtsbescheid zugelassene Revision eingelegt. Das Verfahren wird beim Bundesfinanzhof unter dem Az. III R 26/24 geführt.

Inzwischen liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor (BT-Drs. 20/12783), der eine Anhebung des Grundfreibetrags zum Gegenstand hat. Konkret ist eine Erhöhung um 180 Euro beabsichtigt, um die Höhe des Grundfreibetrages an die sozialrechtlichen Regelbedarfe anzupassen.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Newsletter II/2024